: Diepgen muss weitermachen
Für einen Führungswechsel ist die Berliner CDU zu schwach. Deshalb bleibt auf dem Landesparteitag an diesem Wochenende alles beim Alten. Spendensammler Landowsky steigt zum Stellvertreter ab, in der Fraktion darf ihn ein Doppelgänger vertreten
von RALPH BOLLMANN
Generalsekretär war er schon, Fraktionsvorsitzender zuletzt und natürlich auch Bankdirektor. Von morgen an probiert Klaus Landowsky etwas völlig Neues: Er wird, zum ersten Mal in seinem Leben, Stellvertreter. Der Mann, der sich so viel auf seine vermeintliche Unabhängigkeit zu Gute hielt und seit über zehn Jahren kein Parteiamt mehr bekleidete, lässt sich auf dem Berliner CDU-Parteitag zu einem von sieben Stellvertretern des Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen wählen.
Nur zum Schein rückt er seinem politischen Weggefährten damit näher. Die Wahrheit ist: Zum ersten Mal in seinem Leben muss Diepgen ohne Landowsky regieren, der dem Regierenden Bürgermeister zuerst als Generalsekretär, dann als Fraktionsvorsitzender den Rücken freigehalten hatte. Ob Diepgen das kann – das ist für Freund wie Feind noch eine offene Frage.
Es ist noch nicht einmal klar, ob sich Landowsky aus dem Zentrum der Politik wirklich zurückziehen wird. Er bleibt, als „einfacher“ Abgeordneter, im Parlament; er sitzt jetzt, ehrenhalber, sogar im Parteivorstand: Das erinnert fatal an Helmut Kohls Unfähigkeit, nach der verlorenen Wahl 1998 der lieb gewonnenen Macht zu entsagen. Zieht Landowsky im Hintergrund weiter die Fäden, dann wird es kommen, wie es in der Bundespartei kam: Dann führt kein Weg an einem harten Bruch vorbei, der letztlich beiden schadet – der Person wie der Partei.
Gemeinsam mit Diepgen hat Landowsky jedenfalls schon dafür gesorgt, dass in der Fraktion alles weitergeht wie gehabt. Der neue Fraktionschef Frank Steffel hat sich für sein Amt vor allem dadurch qualifiziert, dass er stets als Landowsky-Imitator auftritt. Doch das Rezept, einfach einen Klon als Nachfolger einzusetzen, hat noch nie funktioniert: Veränderung tut not, wenn alles beim Alten bleiben soll. In Nordrhein-Westfalen konnte die SPD ihre Macht nur behalten, weil der Manager Wolfgang Clement den Landesvater Johannes Rau brutal aus dem Amt drängte.
Solch ein befreiender Vatermord aber ist der Berliner CDU – vorerst – nicht zuzutrauen. Eberhard Diepgen, der Fleisch gewordene Anachronismus, steht scheinbar unangefochten da. Niemand in der CDU will jetzt den nun schon zum zehnten Mal gewählten Parteichef und Bürgermeister austauschen. Noch vor einem halben Jahr war die Union zu erfolgreich, um ihr Zugpferd aus dem Rennen zu nehmen. Inzwischen ist sie zu schwach, um sich einen Führungswechsel leisten zu können. Diepgen muss weitermachen, ob er will oder nicht.
Eines aber hat die Affäre um Landowsky klar gemacht: Bei regulären Neuwahlen im Jahr 2004 kann Diepgen nicht mehr antreten. Mentalitätswandel und Elitenwechsel in der Stadt sind mittlerweile so weit fortgeschritten, dass der seit 1984 amtierende Bürgermeister aus der Wärmestube Westberlin deplatziert wirkt. Eine Verjüngungskampagne wie 1999 funktioniert kein zweites Mal. Die CDU wäre also gut beraten, den Bürgermeister rechtzeitig auszutauschen, damit sich ein Nachfolger vor der Wahl noch profilieren kann.
Der Zeitpunkt für einen solchen Wechsel kommt allerdings erst nach der Bundestagswahl 2002. Vorher ist das Risiko zu groß, dass die SPD kurzfristig Neuwahlen vom Zaun bricht. Zu oft schon haben die Sozialdemokraten günstige Gelegenheiten verstreichen lassen, als dass sie es sich leisten könnten, das Zeitfenster zwischen Landowsky-Affäre und Schröder-Wahl ungenutzt verstreichen zu lassen. Mit Landowskys Rücktritt hat die Berliner SPD einen großen Sieg errungen. Sie hat mit dem Fraktionschef und möglichen Spitzenkandidaten Klaus Wowereit sogar eine Person, die das neue Selbstvertrauen verkörpert.
In diesem Licht stellt sich die Frage nach einem Diepgen-Nachfolger vielleicht ganz anders, als die Akteure bislang dachten. Einen Regierenden Bürgermeister wird die CDU womöglich nicht mehr brauchen, sondern nur noch einen Oppositionsführer oder Bürgermeister-Stellvertreter. Die Neigung der SPD, sich nach der nächsten Wahl erneut als Juniorpartner in eine große Koalition zu begeben, ist offenkundig im Sinkflug begriffen. Die Union kann sich also nur dann eine kleine Chance auf eine Regierungsbeteiligung ausrechnen, wenn sie schlechter abschneidet als die SPD. Diese Perspektive, an die in Berlin bislang niemand dachte, ist durch die jüngste Umfrage in greifbare Nähe gerückt.
Keine schönen Aussichten für die Berliner CDU. Kein Wunder, dass Klaus Landowsky schon überlegt, sich als Hinterbänkler in den Bundestag zu flüchten.
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