us-raketenabwehr: Gefährliche Verlockung
Konsultationen sind ein beliebtes Verfahren der Diplomatie, um sich Unliebsames vom Leib zu halten: manchmal eigene Entscheidungen, manchmal die Kritik der anderen. Besonders groß ist das Glück, wenn Diplomaten, die sich nicht entscheiden wollen, auf Kollegen treffen, die Kritik abwehren sollen. Ein schönes Beispiel dafür sind die jüngsten Begegnungen zwischen deutschen und amerikanischen Gesandten zur Zukunft der geplanten US-Raketenabwehr.
Kommentarvon PATRIK SCHWARZ
Die Deutschen wollen sich noch nicht festlegen, ob sie den Raketenschirm billigen oder ablehnen. Die Amerikaner wollen der Kritik ihrer Verbündeten in der Nato die Spitze nehmen. Also trafen sich beide Seiten in Berlin zu Konsultationen – und beide waren zufrieden. Nur in der Sache sind sie keinen Schritt weitergekommen: Wie kann unsere Welt sicherer werden?
Die Schuld dafür trifft George W. Bush mehr als Gerhard Schröder. Der US-Präsident hat seine Emissäre zwar zu einer Gut-Wetter-Mission um den Erdball geschickt, doch lässt er sie mit leeren Händen umherziehen. Weil Bush de facto einseitig aus dem ABM-Vertrag mit Russland aussteigen will, müssten die USA für Ersatz sorgen. Der Präsident selbst hat, schwammig genug, ein „Rahmenwerk“ für globale strategische Sicherheit angekündigt. Doch weil seine Gesandten offenbar auch nicht wissen, was er damit meint, setzt er sich dem Verdacht aus, Täuschung zu betreiben.
Gemeinsam ist den beiden Regierungschefs, dass sie die Welt mit einer Vision zu locken suchen: Die neue amerikanische Raketenabwehr könnte die Erde in ein Paradies der Defensivsysteme verwandeln. Dass die einstigen Pershing-II-Partner Deutschland und USA nun auf einmal die atomare Abschreckung zum Irrsinn erklären – das ist vorerst das einzig Positive an der Raketenschirm-Debatte.
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