: Luft nimmt Pilz die Sporen
Schimmel in Wohnungen kann viele Ursachen haben. Mieter sollten gut lüften und heizen, der Rest ist Sache des Vermieters ■ Von Gernot Knödler
Schimmelpilze in Wohnungen sind auf dem Vormarsch. Ein Drittel sei so stark mit Giften und Pilzen belastet, dass sie nicht bewohnbar seien, behauptet der Lübecker Umweltingenieur Klaus-Peter Böge. Und der Schwarzenbeker Umweltmediziner Ralph Urban warnt: „Gerade die Gefahr durch Schimmelpilze ist in der Vergangenheit unterschätzt worden.“
Den schwarz-grün-grau-gelb-roten Belag an den Wänden hat es immer schon gegeben. Mit den steigenden Ansprüchen an den Wärmeschutz, den modernen Baumaterialien und dem erhöhten Wasserverbrauch sind die Chancen, dass eine der 100 wohnungsliebenden Schimmelpilz-Arten einen Platz an Ihrer Wand findet, jedoch deutlich gestiegen. Dagegen hilft: Klug bauen, ausreichend heizen und intelligent lüften, wie es Experten der Verbraucherzentralen in einer Broschüre beschrieben haben.
Die Malaise beginnt damit, dass ein Kubikmeter Luft bei 20 Grad Celsius beinahe ein Weinglas voll Wasser in sich tragen kann. Sinkt die Temperatur, verringert sich dieser Wert und es bildet sich Nebel. In einem Zimmer schlägt sich das Wasser an der kältesten Stelle nieder. Das war früher, vom Bierglas einmal abgesehen, das einfach verglaste Fenster. Selbst eine nicht wärmegedämmte, dünne Ziegelwand isolierte dreimal so gut wie die Fensterscheibe. Auf den Fens-terbrettern gab es deshalb Ablauf-Rinnen für das Kondenswasser.
Wird in eine solche Wand ein Wärmeschutz-Fenster eingebaut, kehrt sich das Verhältnis um: Die Wand ist auf der Innenseite kälter als das Fenster. Folglich wird die Tapete feucht und am Kleister labt sich der Pilz. Je stärker dabei die Raumtemperatur fällt, desto feuchter wird die Wand, weil die Luft das Wasser nicht mehr halten kann.
Allerdings gibt es für den Dampf einen Ausweg: Er kann durch die Wände nach außen dringen, durch Ziegel und Holz leichter, durch Beton schwerer, durch Plastik gar nicht. Da die kalte Außenluft tro-ckener ist als die warme Innenluft mit ihrer höheren Wasser-Speicherkapazität, wandert die Feuchtigkeit von innen nach außen.
Um das zu erleichtern, sollte das Wandmaterial von innen nach aussen immer durchlässiger werden. Fatal wäre eine undurchlässige Gebäude-Außenhaut. Denn in diesem Fall würde die Feuchtigkeit in der Wand kondensieren. Das schadet der Bausubstanz und verringert ihre Isolationswirkung.
Nicht viel weniger ungünstig ist eine dampfundurchlässige Bemalung oder Tapete auf der Zimmerwand. Sie verhindert den ständigen Abtransport der Feuchtigkeit und dass die Wand selbst Dampf speichert. Als vorübergehende Speicher spielen auch die Möbel und Teppiche eine Rolle, denn es gilt, literweise Wasser aufzunehmen.
Eine vorsichtige Schätzung rechnet damit, dass ein Mensch täglich einen Liter ausdünstet. Akkumuliert geben zwei Menschen allein durch ihre Anwesenheit pro Monat 60 Liter Wasser an ihre Wohnung ab. Dazu kommt pro Tag je ein halber Liter vom Kochen, Baden und den Pflanzen sowie einer vom Trocknen der Wäsche.
Weil so viel Wasser nicht schnell genug durch die Wände diffundieren kann und heutige Fenster sehr dicht schließen, muss es durch Lüften nach draußen transportiert werden. Experten empfehlen Querlüften oder Stoßlüften und zwar mindestens zwei bis dreimal am Tag.
Beim Querlüften werden das Fenster und die gegenüberliegende Tür ganz geöffnet, beim Stoßlüften nur das Fenster. Querlüften dauert eine bis fünf, Stoßlüften fünf bis zehn Minuten. Je größer der Temperaturunterschied nach draußen ist, desto weniger Zeit ist nötig. Durch ein gekipptes Fenster zu lüften ist Quatsch. Es dauert sechsmal so lang und kühlt die Wände neben dem Fenster ab, so dass sich dort leichter Wasser niederschlägt.
Gelüftet werden sollte kurz, damit die Räume nicht auskühlen. Die Türen zwischen unterschiedlich beheizten Zimmern sollten geschlossen bleiben, damit an den kalten Wänden keine feuchtwarme Luft kondensieren kann. Schlafzimmer sollten tags auf 16 bis 18 Grad beheizt werden, damit die Luft genügend Feuchte aufnehmen kann. Möbel sollten nicht näher als fünf Zentimeter an die Wand gerückt werden. Wer mit viel Dampf kocht, sollte die Schwaden gleich aus der Wohnung ziehen lassen.
„Wenn man das alles gewissenhaft gemacht hat“, sagt Sylvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern, „hat man sich nichts vorzuwerfen“. Man kann getrost davon ausgehen, dass der Schimmel auf den Zustand der Wohnung zurückzuführen ist. Neben dem Wand-Fenster-Verhältnis gibt es dabei eine ganze Reihe möglicher Ursachen.
Zum einen kann Feuchtigkeit aus dem Erdreich, einem lecken Wasserrohr oder einem undichten Dach ins Mauerwerk gedrungen sein. Zum anderen mag es „Wärmebrücken“ nach draußen geben: Schlecht isolierte Stellen an der Außenwand, etwa Fensterstürze oder Balkonplatten,die besonders viel Wärme ableiten. Sie führen zu kalten Stellen an der Innenwand, an denen sich das Wasser niederschlägt. Gleiches kann für eine Ecke an der Außenwand gelten, deren Oberfläche durch den Knick außen viel größer ist als innen und daher mehr Wärme ableiten kann. Zimmerecken sind daher bei Pilzen ein beliebtes Siedlungsgebiet.
Ganz gleich jedoch, wie der Schimmel entstanden ist: Die Pilze müssen weg. Im Anfangsstadium helfen Alkohol, Essig und Salmiakverdünnung; haben sich die Pilze richtig eingenistet, nur noch Fachleute. Denn wer will schon Kopfschmerzen, gereizte Augen, entzündete Atemwege, Allergien oder Konzentrationsstörungen haben.
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