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wollt ihr den totalen „spiegel“? adolf hitler erobert berlin

Wir wussten doch, dass er noch einen Koffer in Berlin hat. Nun ist er also wieder da. 56 Jahre nach Kugel und Zyankalikapsel, auferstanden aus seiner Katakombe unter der alten Reichskanzlei. Er grüßt stolz, und er grüßt in Farbe: Adolf Hitler. Leider kann der große Diktator nur eine Woche bleiben. Am Sonntag wird sein williger Helfer, der Spiegel, die Werbeplakate wieder abnehmen, mit denen er in der Hauptstadt für seinen aktuellen Titel wirbt: „Hitlers langer Schatten – Die Gegenwart der Vergangenheit“. Tatsächlich ist Hitler für diese eine Woche im Stadtbild so penetrant gegenwärtig wie seit seinen Glanzzeiten nicht mehr. Wo sonst für Cremes und Unterwäsche geworben wird, an Bushaltestellen und Litfaßsäulen, dort blickt nun der Führer mit ernstem Wohlgefallen auf die Stadt, mit der er untergegangen ist. Ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, im Bus oder mit der U-Bahn – es gibt kein Entkommen. „Knorke“, wie Goebbels gesagt hätte. Interesse weicht Grusel, Grusel weicht Überdruss, Überdruss weicht Ärger. Dass seine Visage auf Dauer als Zumutung empfunden wird, dürften die Verantwortlichen beim Spiegel noch als pädagogische Maßnahme einkalkuliert haben. Natürlich kann an Hitler, wie an den Tod oder die Dummheit, gar nicht oft genug erinnert werden. Wenn wir ihn aber ausgerechnet in Berlin ausgerechnet vom Spiegel so massiv vor die Nase gesetzt bekommen, dann kann uns schon mulmig werden. Weniger wegen Hitler, das nicht. Sondern wegen der totalen Werbefeldzüge des Spiegel. ARNO FRANK

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