: Nur Arbeitskräfte der dritten Wahl
Seit Jahresbeginn dürfen Asylbewerber offiziell arbeiten. Doch geändert hat sich für die Betroffenen kaum etwas
Amir N. (Name geändert) ist verzweifelt. Vor knapp zwei Jahren floh der Politologiestudent aus Pakistan nach Deutschland. Die Ausländerbehörden wiesen ihm die brandenburgische Kleinstadt Rathenow als Aufenthaltsort zu. Dort wurde Amir N. in der Neujahrsnacht zum Jahresbeginn 2000 von einer zwanzigköpfigen Gruppe rechtsextremer Skinheads auf offener Straße angegriffen und zusammengeschlagen. Das Ergebnis: schwere Kopfverletzungen, Knochenbrüche und Prellungen am ganzen Körper. Nach dem Angriff hatte der 26-jährige Flüchtling nur noch einen Wunsch: weg aus Rathenow, wo er sich aus Angst vor weiteren Übergriffen auch tagsüber nicht mehr alleine auf der Straße bewegen wollte.
Fast ein Jahr lang bemühten sich die brandenburgische Initiative „Opferperspektive“ und Amir N.s Anwältin um eine Umverteilung nach Berlin. Im Dezember 2000 gaben die Behörden schließlich nach: Der schwer traumatisierte Amir N. durfte Rathenow ganz legal verlassen und erhielt einen Heimplatz in Berlin. Doch seine Hoffnung, durch einen Arbeitsplatz der sozialen Isolation zu entkommen, hat sich nicht erfüllt.
Dabei schien alles so einfach zu sein. Seit Jahresbeginn dürfen Asylbewerber, die sich länger als ein Jahr in Deutschland aufhalten, offiziell arbeiten. Die rot-grüne Regierungskoalition hob damit das 1997 von der CDU/FDP-Regierung erlassene generelle Arbeitsverbot für Flüchtlinge auf und erfüllte eine langjährige Forderung von Betroffenen und Menschenrechtsorganisationen. Doch in der Praxis hat sich für die meisten Flüchtlinge in Berlin und Brandenburg wenig geändert. Das musste auch Amir N. feststellen: Ein indisches Restaurant im Berliner Bezirk Tempelhof hatte ihm im Februar diesen Jahres eine Stelle als Küchenhilfe angeboten. Zusammen mit dem Arbeitsangebot und einem Begleitschreiben seines zukünftigen Arbeitgebers war Amir N. hoffnungsvoll zum Arbeitsamt gegangen. Statt der beantragten Arbeitserlaubnis erhielt er jedoch eine Absage: Die Begründung: Die Erlaubnis dürfe nur erteilt werden, „wenn es trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten des inländischen Arbeitsmarktes nicht gelingt, einen freien Arbeitsplatz mit einem bevorrechtigten Arbeitnehmer zu besetzen.“ Und bevorrechtigt sind viele: in erster Linie deutsche Staatsbürger, aber auch Angehörige aller EU-Staaten.
Detailliert rechnete das Arbeitsamt Amir N. vor, warum seine Chancen für eine legale Beschäftigung gleich null sind: Auf 47 gemeldete offene Stellen für Küchenhilfen kämen 6.188 bevorrechtigte Arbeitnehmer. Statt einer Arbeitserlaubnis erhielt Amir N. die Aufforderung, sich bei der Berliner Stadtreinigung zu melden: Weil er wie alle Asylbewerber ohne Arbeitserlaubnis Sozialhilfe bezieht, soll er dort nun für zwei Mark Stundenlohn „gemeinnützige Arbeit“ verrichten. HEIKE KLEFFNER
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