: Kampf um die Kühlschränke
Großmarkt und Einzelhandel wollen gemeinsam Supermärkten Paroli bieten ■ Von Gernot Knödler
Wundern Sie sich nicht, wenn Sie bei Ihrem Gemüsehändler um die Ecke demnächst eine bunte, „hochwertige Einkaufstüte mit Henkel“ in die Hand gedrückt kriegen, statt der obligatorischen Knis-tertüte. Der Beutel gehört zur gestern gestarteten „Marketing-Offensive“ der Hamburger Einzelhändler, der Bauern aus der Region und des Großmarkts Hamburg. Gemeinsam wollen sie dem ökonomischen Druck der Supermarkt-Ketten standhalten und haben deshalb beschlossen, eine eigene „Image-Marke“ zu schaffen: Obst und Gemüse vom Großmarkt Hamburg. Man müsse „den Großhandelsketten eine Vielfalt entgegensetzen“, sagte Senatsdirektor Gunther Bonz von der Wirtschaftsbehörde kämpferisch.
Das heutige Marktgeschehen findet seit 1962 in der weithin sichtbaren, riesigen, welligen Betonhalle in Hammerbrook statt. Er wird von dem hamburgischen Landesbetrieb „Großmarkt Obst, Gemüse und Blumen“ organisiert. Hier kaufen ungebundene Einzelhändler, Wochenmarkt-Beschicker und Gas-tronomen aus Hamburg, Schleswig-Holstein sowie Teilen von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen Frischware en gros.
Dass der Großmarkt als Marke jetzt im Bewusstsein der Endverbraucher etabliert werden solle, habe seinen Grund im ruinösen Preiskampf unter den Supermarkt-Ketten, der sich durch den Auftritt der US-amerikanischen Firma Walmart in Deutschland noch verschärft habe, sagte Großmarkt-Geschäftsführer Wolf Rohde. „Alle reden von ihrem Umsatz, aber keiner davon, was hängen bleibt“, klagte er.
Den Gemüsehändler um die Ecke treffe das besonders hart. Entfielen auf den traditionellen Einzelhandel vor zehn Jahren noch ein knappes Drittel des Umsatzes bei Obst und Gemüse, seien es heute nur noch 15 Prozent. Rohde vermutet: „Der organisierte Einzelhandel versucht den traditionellen Einzelhandel über den Preis kaputtzumachen.“
Auch die Landwirte leiden in seinen Augen unter dieser Entwicklung: Bei Verkäufen an die Handelsketten erzielten sie nur 50 bis 60 Prozent der Preise, die im Großmarkt möglich seien – und dort wiederum weniger als beim Direktverkauf auf der Straße. Jürgen Speck von der Erzeugergemeinschaft Obst, Gemüse und Blumen Hamburg hätte deshalb die Vermarktung regionaler Produkte stärker in den Vordergrund der Kampagne gestellt. Denn selbst im Großmarkt stammen derzeit lediglich fünf Prozent des Obstes und nicht einmal die Hälfte des Gemüses (nach Gewicht) aus Hamburg und Umgebung.
Die Marketing-Offensive richtet sich an ein breites Publikum. Neben den Plastik-Tüten gehören dazu Plakate, Preistafeln, Zei-tungsanzeigen, Radio-Spots und Fensteraufkleber in öffentlichen Verkehrsmitteln. Finanziell dürfte das ein ziemlicher Kraftakt sein. Über dessen Umfang wollte sich gestern aber keiner der Beteiligten äußern.
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