: Parade in der Sackgasse
Love-Parade-Veranstalter bestehen darauf, dass der Techno-Umzug eine Demonstration ist, und ziehen vor Gericht. Senat will nur kommerzielle Veranstaltung genehmigen und setzt Ultimatum
von KATJA BIGALKE
Die Love Parade steht kurz vor dem Scheitern. Die Organisatoren des Raver-Spektakels lehnten gestern das Angebot des Senats, die Parade als kommerzielle Veranstaltung zu genehmigen, kategorisch ab. Ein Antrag auf Sondernutzung öffentlichen Straßenlands komme überhaupt nicht in Frage, sagte Planetcom-Sprecher Enric Nitzsche und beharrte darauf, dass es sich bei der Parade um eine Demonstration handele. „Wir stehen für ein weltoffenes, tolerantes Miteinander – das ist Anliegen genug, um dafür auf die Straße zu gehen.“
Genau das aber will der Senat nicht länger zulassen. In seiner gestrigen Sitzung beschloss er, der Love Parade den Demonstrationscharakter abzuerkennen. Stattdessen bot er Planetcom an, die Love Parade als kommerzielle Veranstaltung für den 21. Juli umgehend zu genehmigen und sich an den dann anfallenden Kosten für Müll- und Schadensbeseitigung zu beteiligen. „Zu diesem Verfahren gibt es keine Alternative“, betonte gestern Senatssprecher Michael-Andreas Butz und setzte Planetcom ein Ultimatum: Das Angebot gelte nur bis zum 25. Mai.
Planetcom aber will vor Gericht das Demorecht erstreiten. „Ob es sich bei der Love Parade um eine Versammlung handelt oder nicht, hängt zunächst davon ab, ob sich hier Menschen zu einer Meinungskundgebung treffen“, sagte gestern der Rechtsanwalt von Planetcom, Niko Härting. Laut Grundgesetzkommentierung des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog fängt eine Versammlung schon bei einem einfachen menschlichen Zusammenkommen an.
Sollte die Versammlungsbehörde die für den 21. Juli als Demonstration angemeldete Love Parade verbieten, wollen die Veranstalter sogar bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gehen. Gegen das Versammlungsverbot am 14. Juli habe man gestern Klage eingereicht.
Die Berliner Grünen begrüßten den Senatsbeschluss gestern als „überfällig“. Das Verursacherprinzip gelte auch für die Love Parade. Für dieses Jahr müsse es einen „fairen Ausgleich“ geben. Ab kommendem Jahr sollte eine andere Route gefunden werden. Auch die PDS hält die Entscheidung des Senats für richtig. Die Ablehnung Planetcoms beurteilte der stadtentwicklungspolitische Sprecher, Freke Over, als „größtmögliche Dummheit in der verworrenen Situation“. Planetcom schade nicht nur sich selbst, sondern habe schlimmstensfalls auch die Love Parade ins Abseits manövriert.
Dabei hätte alles so gut laufen können. Sogar Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) sollte Mitveranstalter des Events werden – als Symbol für das finanzielle Entgegenkommen des Senats. Mit einem zügigen Genehmigungsverfahren wäre dem Risiko eines endgültigen gerichtlichen Scheiterns der Parade vorgebeugt worden.
Doch wenn der Veranstalter jetzt nicht einlenkt und bis zum 25. Mai das Angebot des Senats annimmt, dann entscheidet die Versammlungsbehörde. Und dann geht die zeitaufwendige gerichtliche Auseinandersetzung erst richtig los.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen