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Staatsfeindin tageszeitung

Wie das DDR-Ministerium für Staatssicherheit die taz seit 1978 als zentrales Feindobjekt beobachtete und zu infiltrieren suchte

von HUBERTUS KNABE

Die Stasi kannte sie bereits, als es sie noch gar nicht gab: Im Juli 1978 fischte die Zollfahnung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) einen „Prospekt: tageszeitung“ aus dem Postverkehr, aus dem hervorging, dass eine „Initiativgruppe“ im kommenden Jahr eine unabhängige linke Tagezeitung herausbringen wollte. Für den Geheimdienst der SED war dies ein Alarmsignal, weil allein die Kombination der Adjektive „unabhängig“ und „links“ Gefahr verhieß.

Als zentrales „Feindobjekt“ kam die taz in die Obhut der für Terror zuständigen Hauptabteilung XXII. Ziel war es, „staatsfeindliche Aktivitäten gegenüber der DDR rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern“ und die Berichterstattung so zu beeinflussen, dass „reale Einschätzungen“ über die Verhältnisse in den sozialistischen Ländern veröffentlicht würden.

Die unkonventionelle Organisationsform der taz stellte die Stasi allerdings vor Probleme. Die Feststellung ihrer „Hintermänner“, so hieß es, werde durch den ständigen Wechsel der Redakteure und die Einbeziehung regionaler Initiativgruppen erschwert. Für Verwirrung sorgten auch die finanziellen Überlebenskünste der taz, die den Verdacht der Stasi nährten, dass die Zeitung von einem westlichen Geheimdienst gesteuert werde.

Die Stasi-Analysen verbesserten sich, nachdem es dem MfS gelang, aus der taz Informanten anzuwerben. Den Einstieg machte der Westberliner Rechtsanwalt Klaus Croissant, der sich 1981 bereit erklärte, als „Berater“ bei der Aufklärung der linken Szene in der Bundesrepublik mitzuwirken. Croissant war zwar kein Mitarbeiter der taz, verkehrte aber in ihrem Umfeld. Unter anderem schlug er dem MfS die Journalistin Brigitte Heinrich vor, die in der Auslandsredaktion arbeitete. Während Croissant unter dem Decknamen „Taler“ operierte und dafür über 70.000 Mark vereinnahmte, arbeitete Brigitte Heinrich seit 1982 als IM „Beate Schäfer“ für das MfS. Schon beim zweiten Treff erklärte sie, „dass eine konspirative Zusammenarbeit mit der DDR eine solidarische Handlung für beide Seiten ist“, und lieferte – gegen Zahlung von 500 Mark – detaillierte Angaben über ihre Kollegen.

Von der Stasi hatten Heinrich und Croissant den Auftrag, die „progressiven Leute“ in der taz festzustellen, den Einfluss der „antikommunistischen Kräfte“ zurückzudrängen und die Verbreitung „antisozialistischer Meldungen“ einzuschränken. Mit Erfolg geschah dies vor allem bei der für die DDR zentralen Frage, ob man der taz die Akkreditierung eines ständigen Korrespondenten in Ostberlin gestatten solle. Heinrich und Croissant warnten insbesondere vor dem Redakteur Max Thomas Mehr, der von der taz als Ostberlin-Korrespondent vorgesehen sei. Dieser sei in der Vergangenheit mit Beiträgen mit „antisozialistischem Charakter“ hervorgetreten und für die „wütende DDR-Hetze“ der Zeitung verantwortlich. In Wahrheit war er ein Linker, der mit Biermann und Havemann sympathisierte. Brigitte Heinrich empfahl der Stasi deshalb, nur von Fall zu Fall taz-Journalisten für DDR-Reportagen zuzulassen, wenn die Gewähr gegeben sei, dass die Berichterstattung „einigermaßen korrekt“ erfolge. Wahrscheinlich war es jedoch gerade der Aussperrung der taz zu verdanken, dass sich ihre kritische Berichterstattung über die DDR in der Folgezeit eher verstärkte als abschwächte. Weil die Zeitung keinen Korrespondenten hatte, gab es niemanden, auf den die DDR Druck ausüben konnte.

In den letzten Jahren der DDR wurden die Einschätzungen der Stasi deshalb immer finsterer. „Die Berichterstattung einiger Redakteure“, so resümierte man im April 1988, „ist zunehmend darauf ausgerichtet, die feindlich negativen Absichten von Mitgliedern und Sympathisanten des politischen Untergrundes in der DDR zu inspirieren und zu unterstützen.“ Wer in dieser Zeit die Stasi mit welchen Informationen versorgte, ergibt sich nicht aus den Unterlagen. Brigitte Heinrich war Ende 1987 verstorben. Die Akte von taz-Redakteur Till Meyer, der im selben Jahr als IM „Willi Waldoff“ zur Stasi stieß, ist spurlos verschwunden. Und die Agentenkartei der Spionageverwaltung HVA, die 1988 für die taz zuständig wurde, wird seit Jahren in Amerika und in der Gauck-Behörde geheim gehalten. Von zwei weiteren Quellen – „Condor“ und „Grundmann“ – sind nur noch die Decknamen überliefert.

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