: Fön nicht in die Tonne treten
Das EU-Parlament fordert, Elektroschrott ab etwa 2004 getrennt zu sammeln und zu recyceln. Kritik an Kommission, die länger warten will. Industrie soll Kosten umlegen
BRÜSSEL taz ■ Das Preisetikett auf dem Windows-2005-Computer könnte ungefähr so aussehen: „Auslaufmodell! Nur 1.728 Euro! (Sonderabgabe für historische Geräte von 2,37 Euro im Preis enthalten)“. „Historische Geräte“ sind solche, die vor Inkrafttreten der Elektronikschrott-Richtlinie produziert wurden. Die Hersteller können oft nicht mehr ermittelt werden oder sind pleite. Die Branche soll die Entsorgungskosten tragen – entsprechend dem jeweiligen Marktanteil. Für diese Forderung zeichnete sich gestern bei der ersten Lesung der Richtlinie im Europaparlament eine breite Mehrheit quer durch alle Parteien ab.
Ähnlich wie beim Streit über die Altautoverordnung dreht sich auch beim derzeit laufenden EU-Gesetzgebungsverfahren für die Elektroschrott-Richtlinie alles um die Frage, wer die umweltgerechte Entsorgung und Wiederverwertung der Altgeräte bezahlen soll. Während aber nur 50 bis 60 Unternehmen in Europa mit Autos ihr Geld verdienen und deshalb das Parlament damals in autoproduzierende und autoimportierende Nationen gespalten war, betrifft die Elektroschrott-Richtlinie über 100 000 Betriebe in der gesamten EU.
Die Schätzungen darüber, welche Belastungen auf die Branche zukommen werden, gehen je nach Interessenlage weit auseinander. Während der deutsche Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie Kosten von 7,5 Milliarden Euro jährlich an die Wand malt, schätzt die Kommission gerade mal 10 Prozent – 750 Millionen Euro für die ganze EU. Sie stützt sich auf Erfahrungen aus den Mitgliedsländern, denn Dänemark und Holland haben bereits eigene Rücknahme- und Wiederverwertungssysteme aufgebaut. Sie sollen für eine Übergangszeit von zehn Jahren erhalten bleiben, bis die EU-weite Regelung sich eingespielt hat. Dass das Problem den Europäern über den Kopf wächst, bestreitet auch die Branche nicht. 6 Millionen Tonnen Elektroschrott fielen 1998 in der Union an. Die Rate steigt um 3 bis 5 Prozent jährlich.
Allerdings wollen Kommission und Rat der Industrie längere Übergangsfristen gewähren. Nach Abschluss des EU-Verfahrens sollen bis zum Inkrafttreten fünf bis sechs Jahre vergehen. Das liefe auf 2007 oder 2008 hinaus. Auch werden unverbindliche Sammelziele angestrebt.
Das Parlament dagegen verlangt, dass mindestens 6 Kilo Schrott pro Kopf und Jahr gesammelt und je nach Geräteart zwischen 90 und 70 Prozent des Gewichts wiederverwertet werden. 30 Monate nach Inkrafttreten soll Elektroschrott nicht mehr im Hausmüll entsorgt werden dürfen. Sollten Rat und Kommission die Wünsche des Parlaments aufnehmen, wird der Verbraucher den ausgedienten Windows-2005-Computer schon zur Sammelstelle bringen müssen. DANIELA WEINGÄRTNER
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