piwik no script img

Weltstar für die Mehrheit

■ Der Bremer Jung James Last geht im nächsten Jahr auf Tournee. Schon heute stellt er im Ersten Deutschen Fernsehen die ihm flüchtig bekannte Stadt Miami/Florida vor.

Strömen Sie zu den Vorverkaufsstellen – wer weiß, wie lange es noch Karten gibt, denn der weltberühmteste Bremer kommt in die Stadthalle. Wenn schon superlativ, dann gnadenlos: „Das erfolgreichste Orchester der Welt“ steht auf dem Plakat für die Deutschlandtournee von James Last, und ganz so haltlos, wie es klingt, ist dieses Prädikat nicht einmal.

Last und seine 38-köpfige Band halten immer noch einen Rekord, der unter britischen Popstars extrem wichtig ist: Wer kann an wieviel Tagen hintereinander die Royal Albert Hall bis auf den letzten Platz füllen? Nur James Last schaffte es mehrere Jahre lang an jeweils sieben Tagen, und bei einem US-amerikanischen Pay-TV-Sender wurde bei keinem anderen Programm soviel eingezahlt wie bei dem Schunkelswing von Hansi aus Sebaldsbrück. Es gibt offensichtlich eine internationale schweigende Mehrheit, die sich gerne in die gemütlich heile Welt von James-Last-Arrangements fallen läßt, und das klappt wohl auch deshalb so gut, weil der Macher so sehr mit sich im Reinen ist. „Der mag selber, was er da spielt“ ist der erste Eindruck, den man von ihm gewinnt. Deshalb geht auch die Frage völlig ins Leere, ob er nicht mal wieder richtigen Jazz spielen wolle, oder ob er – wie fast jeder Volksschauspieler, der von einer Shakespeare-Rolle träumt – nicht auch mal gerne „E- statt U-Musik“ machen würde: „Haben wir doch schon längst gemacht, und die „classic“-Platten haben sich damals sogar noch besser verkauft als die von der „dancing“-Serie“.

„Egal, was ich mache, es klingt immer wie James Last“, sagt er sichtlich zufrieden und dabei durchaus sympatisch. Kleinliche Kritik prallt an ihm ab: Natürlich ist seine neue CD „Ocean Drive – easy living“ ein Nachschlag auf die 80er Jahre. Der Titelsong von „Miami-Vice“, „My Way“ und zum X-ten Male „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ – ich bitte Sie. Als späte Frucht aus seiner Zusammenarbeit mit der Band „Fettes Brot“ gibt es noch eine mehrheitsfähige „Hip Hop Polka“, aber die macht den Kohl auch nicht fett. Das Ganze ist ja auch nur „die CD zum Fernsehspecial“.

Die Radio Bremen Produktion „James Last: Mein Miami“ läuft heute abend um 20.15 in der ARD. „Ein Star und seine Stadt“ heißt die Serie, Howard Carpendale hat da schon Kapstadt besungen. Aber dies ist eine Mogelpackung, denn James Last gab bei der Pressekonferenz schmunzelnd zu, dass er zwar in Florida lebt, in den letzten Jahren aber „höchstens drei bis fünf Tage“ in Miami war.

Da glaubt man dem 72-jährigen dann auch, wenn er betont, wieviel Spaß ihm immer noch seine Live-Auftritte machen: „Andere gehen auf Kur, ich geh' auf Tour!“ Sein Name wurde ihm übrigens ganz ohne sein Wissen verpasst: „Als ich mit der Post meine erste LP zugestellt bekam und das Paket aufmachte, dachte ich, die spinnen, denn da stand statt Hans James Last auf dem Cover. Irgend jemand in der Plattenfirma hatte entschieden, dass James internationaler klingen würde. Aber nachdem ich in England mal gesagt habe: „My friends call me Hansi“, werde ich in dort und in den USA immer mit „Hansi, Hansi“-Rufen begrüßt, während man in Deutschland „James“ sagt.“

Angefangen hatte Last als Jazz-bassist in den legendären „Amiclubs“ des Nachkriegsdeutschland. 1946 ging er zu Radio Bremen, dann ins NWDR-Orchester nach Hamburg. Als man ihm dort einen lebenslangen Vertrag anbot, schlug er aus – „das konnte doch noch nicht alles gewesen sein“ – und entwickelte seinen eigenen Sound. Von Anfang waren seine Gute-Laune-Arrangements mit eingeschnittenen Partygeräuschen, Klatschen, Lachen, Gläserklirren usw. ein Erfolg, und der Rest ist mit mehr als 130 Plattenproduktionen Geschichte. Nach einer Flaute in den 80ern war er der Mann für die Easy-Listening-Hörerschaft. Jetzt verkauft er zwar – wie alle Musikanten – pro Produktion nicht mehr 600000 Platten ,sondern ist schon mit 100000 CDs zufrieden – aber die Hallen füllt er wieder. Was er auf seiner Tournee spielen wird, konnte er noch nicht genau sagen; ein paar Hits des kommenden Sommers würde er gewiss noch mit ins Programm nehmen. Das ist schon immer sein Programm gewesen: egal ob Beatles oder Mozart, „Lambada“ oder Hip Hop – alles klingt nach James Last. Sichern Sie sich also ihre Karten für den 2. Mai 2002 in der Stadthalle! Zahlen Sie jetzt, was Sie in einem Jahr immer noch hören wollen! Wilfried Hippen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen