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Filmstarts à la carteMagische Momente

■ Das Interessanteste kommt zuletzt: Zum Abschluß der Orson-Welles-Hommage zeigt das Babylon erstmals in Berlin unvollendete Projekte aus dem Nachlass des Meisters. Bekanntlich hatte Welles oft ziemliches Pech: Dubiose Finanzierungen und Drehzeiten, die sich über Jahre hinzogen, trugen dazu bei, dass vieles niemals fertiggestellt wurde. Seit Welles´ langjährige Lebensgefährtin und Mitarbeiterin Oja Kodar dem Filmmuseum München 1995 Welles´ Nachlass zueignete, werden die Fragmente dort restauriert und in eine präsentable Form gebracht. So zeigt sich etwa in den fünf Episoden von „Orson Welles´ London“ (1968-71) sein Sinn für Ironie, Parodien (z.B. von Churchill) und seine Liebe zur Verkleidung. Im Gegensatz dazu steht die konzentrierte Verfilmung von „Moby Dick“, seines Theater-stücks nach Herman Melvilles Roman, in der Welles - einzig unterstützt von Lichteffekten - alle Rollen selbst rezitiert. Und in „Orson Welles´ Magic Show“, einem geplanten Spielfilm über die Geschichte der Magie, frönt der Maestro ausgiebig seinem Hobby Zauberei. Faszinierend bleiben bei vielen dieser Fragmente Welles´ von der puren Lust am Fabulieren getragenen Moderationen und Conférencen. Stefan Drößler, Leiter des Filmmuseums München, wird zu den verschiedenen Programmen (Unvollendete Projekte I + II, Fernseharbeiten) Vorträge und Einführungen halten; am 24. und 25. Mai soll auch Oja Kodar zu Gast in Berlin sein.

“Orson Welles´ Unvollendete Projekte I“ 23.5., „Unvollendete Projekte II“ 24.5., „Orson Welles´ Fernseharbeiten“ 25.5. im Filmkunsthaus Babylon

■ In seinem berühmten Dokumentar- und Montagefilm „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ (1927) porträtiert Walter Ruttmann die Hauptstadt vom frühen Morgen bis in die Nacht. Dabei ist Berlin vor allem der Ort der Moderne und des Tempos: In den Fabriken setzen sich die Schwungräder in Bewegung, Kolben sausen auf und nieder, auf den Straßen brandet der Verkehr - eingefangen in dynamischen Bildkompositionen. In Joe Mays „Asphalt“ (1928) ist die Hauptstadt dagegen nur Studio-kulisse. Im UFA-Studio Tempelhof ließ Architekt Erich Kettelhut ganze Straßenzüge mit glitzernden Salons und Läden errichten, erleuchtet vom Licht der Schaufenster und der Leuchtreklamen, bevölkert von einem Gewimmel aus Menschen und Autos. Zunächst noch souveräner Herr über die bewegten Massen ist der Schupo (Gustav Fröhlich), doch schon bald werden ihn seine Gefühle ins Chaos stürzen: Er verliebt sich in eine elegante Trickdiebin.

“Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ 19.5. im Arsenal 1; „Asphalt“ 18.5. im Arsenal 2

■ Ein glückliches Leben führten sie beide nicht: Buster Keaton stand nach dem Verlust der Kontrolle über seine Filme und einer unerfreulichen Scheidung bereits in den frühen 30er Jahren vor den Trümmern seiner Existenz - ein depressiver Alkoholiker, der langsam in die Vergessenheit driftete. Seinen Drehbuchautor und Koregisseur Clyde A. Bruckman ereilte das gleiche Schicksal wenige Jahre später mit noch dramatischeren Konsequenzen: Der völlig ruinierte Bruckman beging Selbstmord - angeblich auf der Toilette eines Hollywood-Restaurants mit Buster Keatons Revolver. Das Jahr 1926 zeigte Keaton und Bruckman jedoch noch auf dem Höhepunkt ihres Schaffens: In der Bürgerkriegsgeschichte vom „General“, einer von Nordstaatlern entführten Lokomotive, entwickeln sich die Gags in genialer Manier sowohl aus der spannenden Story als auch aus dem Fluß der Bewegung heraus. Der von Keaton gespielte Charakter bleibt dabei unverwechselbar - stets geht er alle Probleme mit dem gleichen naiven Ernst an, der den haarsträubenden Situationen immer so unangemessen erscheint.

“The General“ 20.5., 22.5.-23.5. im Filmkunsthaus Babylon (Studiokino)

Lars Penning

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