juttas neue klassiker: Kabel und Liebe
Ein schwüler Sommerabend in Marbach. Sophie und Ferdinand sitzen in einem lauschigen Biergarten und unterhalten sich über die neuen Medien. Dabei trinken sie beide drei bis vier Weinschorlen. Sie erinnern sich an vergangene Zeiten.
Ferdinand (verträumt): Ich kann mich noch gut an mein erstes Mal erinnern. Damals mit meiner Freundin Luise.
Sophie (verschluckt sich ein bisschen – sie ist nämlich sehr gut mit Luise befreundet): Ah ja?
Ferdinand (mit glänzenden Augen): Ja, das Ganze hat saulange gedauert. Wir haben ewig rumprobiert. Am kompliziertesten war die Sache mit dem Slip-Treiber.
Sophie (nestelt am Tischdeckenbeschwerer rum): Echt? Warum?
Ferdinand: Na ja, wir konnten ihn nicht richtig installieren. Immer wieder gab es eine Fehlermeldung. Und als wir es endlich geschafft hatten, mussten wir den Rechner erst wieder runterfahren, bevor wir loslegen konnten. Luise war schon voll ungeduldig.
Sophie (gluckst): Ach wie doof. Und dann?
Ferdinand (eifrig): Ja, dann! Dann waren noch längst nicht alle Probleme beseitigt. Als wir das Modem anschließen wollten, passte der Stecker nicht in die Buchse. Auch hier haben wir voll lange rumgefummelt, bis wir gemerkt haben, dass man das Modem rumdrehen musste. Schwupps, dann war’s ganz einfach.
Sophie (beißt sich auf die Zunge): Na Gott sei Dank. Wie ging’s weiter?
Ferdinand (wirft Sophie einen strafenden Blick zu): Danach mussten wir erst mal 85.000 Kabel sortieren. Die doofen Strippen waren nämlich irgendwie volle Kanne ineinander verschlungen. Als wir den Kabelsalat entheddert hatten, suchten wir uns einen Provider, bekamen aber keine Verbindung hin. Das Modem hing gleich beim ersten Versuch.
Sophie (prustet unüberhörbar, ein Gast am Nachbartisch schaut verwundert rüber): Wie ungünstig.
Ferdinand: Ja, das war total nervig, ich kam überhaupt nicht durch. Aber beim fünften oder sechsten Einwahlversuch hat’s dann funktioniert. Wir waren drin. Das war ein tolles Gefühl nach dem ganzen Aufwand.
Sophie (hält sich eine Hand vor den Mund, die andere auf den Bauch, sie platzt gleich): Hmhm.
Ferdinand (fährt unbeirrt fort): Zum Schluss habe ich noch einen POP-Server ausgewählt und Luise ein E-Mail-Konto eingerichtet.
Sophie (japst): Du Popstar!
Ferdinand (stolz): Ja, das war vor fünf Jahren. Und dann haben wir fast die ganze Nacht durchgemacht und waren online. Heute hat Luise immer noch denselben Rechner. (scherzt) Allerdings geht sie ja mittlerweile regelmäßig im Internetcafé fremd, weil der Alte nicht mehr alle Spielchen mitmacht. Große Dateien runterladen oder so, das kannste vergessen mit der Knattermühle.
Sophie (gibt sich hemmungslos einem Lachanfall hin): Hihihihihi!
Ferdinand (beleidigt): Was hast du denn die ganze Zeit? Ich finde das alles gar nicht so komisch. Wie war es denn übrigens bei dir?
Sophie (wischt sich die Tränen aus den Augen): Ach, bei mir? Mein erstes Mal war in der Unibibliothek. Aber es ging alles glatt. Waren ja noch ein paar andere dabei, die mir geholfen haben.
Ferdinand (hat’s endlich gerafft): Du Sau!
Vorhang JUTTA HEESS-SCHILLER
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