Zum Umgang mit Behinderten: Jeder Mensch hat seine „Macken“
betr.: „Mehr Theorie, mehr Spielräume“ (Vom Selbstverständlichen imUmgang mit Menschen), taz vom 15. 5. 01
Als unser Zehnjähriger mich neulich fragte, „Mama,warum macht sie das immer so?“, antwortete ihm unsere 15-Jährige (Spastik, Rollstuhl) „Das kannst du nicht verstehen, dafür muss man behindert sein.“
Ich bin als betroffene Mutter, die sich auch mit den Theorien etwas auskennt (mein Mann ist Sozialpädagoge im Behindertenbereich), fest davon überzeugt, dass auch größere Professionalität und verbesserte Ausbildung an den in der Artikelserie gebrachten Beispielen nichts ändern würden. Meine Tochter stolpert immer drüber, dass die so genannten qualifizierten Fachkräfte grundsätzlich Recht haben, gerade wegen ihrer Qualifikation. Selbst ein nicht so schwer behinderter Mensch hat hier kaum eine Chance sich zu wehren. Mir sind die Profis, deren Ausbildungstheorien ja auf den Menschenbildern von bestimmten gesellschaftlichen Situationen entstehen, erheblich suspekter, weil hier kein echter Gesprächsaustausch möglich ist.
Die im Artikel sicher zu Recht auch kritisierten „einfachen Betreuer“ sind wenigstens auf der menschlichen Ebene zu erreichen. Denn die Bilder von der schweren Betreuungsarbeit, unter der man zu leiden hat, werden doch an die Angehörigen genauso herangetragen. Gesellschaftliche Anerkennung bekommen Menschen, die sich um Behinderte kümmern, immer noch nur dafür, wenn sie sich deutlich „aufopfern“, entweder im pflegerischen Bereich oder im Engagement für Integration usw. Wer hier keinen Ausgleich hat, muss quasi das von Peter Fuchs kritisierte Verhalten zeigen.
Warum redet Ihr Fachleute nicht mit den Behinderten?
GERTRAUD ERKER, Recklinghausen
Ein superdickes Lob für die Serie. Ich habe selbst mal mit behinderten Menschen gearbeitet und weiß ob des Stress und der Mühe, auch eben mit der gesellschaftlichen (auch eigenen) Meinung umzugehen. Einfach ein Lob. Hat mir sehr gefallen, auch weil ich drüber schmunzeln konnte! CAROLINE SÜNDERHAUF, Berlin
Mit einem gewissen Interesse und Ärger lese ich die Artikelserie von Peter Fuchs. Ich arbeite nicht mit Behinderten und weiß daher vieles nicht, was Peter Fuchs zu erzählen hat. So weit mein Interesse.
Natürlich ist es auch ganz interessant zu erfahren, dass es nicht nur unter Arbeitslosen faule Leute gibt, sondern auch unter den Arbeitenden, und natürlich finden die sich bei denen ein, die sich nicht wehren können. Da ist es gut, dass es so einen sensiblen, alles überblickenden Peter Fuchs gibt, einschließlich seiner sensiblen Frau, die weiß, wie man sich in Gegenwart von Behinderten zu verhalten hat. Das ist ja etwas, das den dort arbeitenden Menschen abgeht. Diese Menschen haben keine Ahnung, keine Sensibilität, sie trachten nur danach, sich von der Arbeit davonzustehlen, nachdem sie nicht zu umgehende Arbeit schlecht erledigt haben, um dann ihr eigenes Süppchen zu kochen und dieses im gemütlichen Plausch mit KollegInnen genüsslich auszulöffeln und dies sogar in Gegenwart von Peter Fuchs – so doof muss man/frau sein. ANGELIKA DOBS, Lübeck
Nach inzwischen sechs Jahren Arbeit in einem Wohnheim für Menschen mit einer geistigen Behinderung als Heilerziehungspfleger kann ich Peter Fuchs in vielen Punkten seiner Kritik (leider) nur Recht geben, wobei ich mich nicht ausklammern will und kann. Allerdings erscheinen mir viele Ausdrucksformen vom Verfasser genau das auszudrücken, was er zu bekämpfen versucht.
Behinderung als solche exsistiert nicht, sie ist ein soziales Konstrukt der Gesellschaft. Daher sollte Peter Fuchs nicht so oft von „Behinderten“ sprechen, sondern selbst auch den geforderten ethischen Standard des Menschseins nicht nur in der Überschrift in den Vordergrund stellen.
Herz erfrischend hingegen fand ich die Äußerungen über die selbstgefällige Moral eines Erziehers. Über die Gründe dafür kann man streiten. Fest steht zweifelsohne, dass dieses Phänomen nahezu untrennbar mit seinen Professionen einhergeht. Daher ist vielleicht die Anfälligkeit für ein notorisches Bewunderungsbedürfnis Voraussetzung für diese Arbeit, da sich sonst so gut wie niemand in unserer Gesellschaft Gedanken über den Werdegang von diesen solidaritätsbedürftigen Menschen macht. [...]
Wir Betreuer werden von außen über den grünen Klee gelobt, um das breite Gewissen der Gesellschaft weiter schlafen zu lassen. Doch, so sehr Peter Fuchs recht mit seiner Kritik hat, das eigentliche Grundproblem der Selbstbeweihräucherung, auch und gerade in den erschreckend unprofessionellen Vorstandsetagen von Behinderteneinrichtungen, werden eine positive Entwicklung zu fachgerechter und vor allem emanzipierter Arbeit in unserer Gesellschaft weiter verhindern. ERIK HOLL, Stuttgart
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