entschädigung
: Weg mit dem Fetisch Sicherheit!

Wer entscheidet eigentlich nach dem „Stiftungsgesetz zur Entschädigung der Zwangsarbeiter“, ob der Zustand der „Rechtssicherheit“ für die beklagten deutschen Unternehmen erreicht ist? Die Antwort lautet: der Bundestag. Sie lautet nicht: der Bundestag nach einer positiven Stellungnahme des Grafen Lambsdorff; und erst Recht nicht: der Bundestag nach einem vollen Konsens mit der deutschen Wirtschaft.

Der gestrige Entschluss beider Regierungsfraktionen, noch vor der Sommerpause Rechtssicherheit festzustellen und damit den Weg für die Auszahlungen frei zu machen, hat endlich die Initiative für das Parlament zurückgewonnen. Und er hat – wenigstens dies eine Mal – klar gesagt, wie sich das Verhältnis von Politik und Wirtschaft in einer Demokratie gestalten sollte.

Durch die rot-grüne Erklärung wurde eine klare Demarkationslinie zu den Maximalpositionen der Stiftungsinitiative gezogen. Auch nach dem positiven Ausgang der Berufungsverhandlung zum Urteil der US-Bundesrichterin Kram hatte diese erklärt: „Nicht alle offenen Fragen sind geklärt.“ Welche „offenen Fragen“ sind das? Die aussichtslose Berufung, die der Bruder des Zwangsarbeiters Deutsch angestrengt hat? Oder etwa die Klage des Gerling-Konzerns gegen ein kalifornisches Gesetz, das die Öffnung der Archive vorschreibt?

Niemand weiß es. Klar scheint nur, dass die „offenen Fragen“ mit jeder Klageabweisung zu- statt abnehmen. Und dass es reicht! Der Fetisch Sicherheit darf ab jetzt nicht mehr angebetet werden. Schröders gestrige Formulierung, Rechtssicherheit „lasse sich jetzt in enger Kooperation mit der Wirtschaft erreichen“, wird der durch die rot-grüne Initiative erreichten Klarheit in keiner Weise gerecht. Am besten wäre es, wenn der informelle und öffentlichkeitsscheue Beratungszirkel von Stiftungsinitiative, Regierung und dem Grafen Lambsdorff sofort dichtgemacht würde. Auch wäre es angebracht, bei der beschlussfassenden Sitzung des Bundestages einem Vertreter derer das Wort zu erteilen, um die es angeblich die ganze Zeit gegangen ist: die ZwangsarbeiterInnen.

CHRISTIAN SEMLER