: Chef lernen am Sandstrand
Fünf Strandbäder stehen seit Samstag unter der Regie von Auszubildenden. Die Bäderbetriebe sparen – die Jugendlichen fühlen sich durch die Verantwortung motiviert
Die Auszubildenden der Berliner Bäderbetriebe (BBB) wagten am Samstag den Sprung ins kalte Wasser: Mit dem Beginn der Sommersaison übernahmen sie in fünf Strandbädern Planung, Aufsicht, Reinigungsaufgaben und ein gutes Stück Verantwortung. Die erste Rettungsaktion haben sie damit bereits gemeistert. Denn ohne den Einsatz der Azubis wären die Bäder diesen Sommer ganz geschlossen geblieben. Dank ihnen können die Berliner nun in Plötzensee, Jungfernheide, Tegelsee, Grünau und Wendenschloss täglich von 10 bis 19 Uhr schwimmen gehen.
Das Projekt „Auszubildende betreiben Bäder“ entstand ausder finanziellen Notlage der BBB. Die zwingt die Leitung, den Betrieb umzuorganisieren, bei diesem Projekt durchaus mit Erfolg: 400.000 Mark, die sonst für Saisonarbeitskräfte ausgegeben werden müssten, sparen die Bäder mit Hilfe ihres Nachwuchses ein. „Im Vergleich zu den 7,5 Millionen, die uns das Land dieses Jahr weniger an Zuschuss bewilligt hat, ist das nicht viel, aber immerhin etwas“, meint BBB-Vorstandschef Klaus Lipinsky.
Je vier Azubis und zwei Fachkräfte werden nun Schwimmer und Sonnenanbeter in den fünf Bäder betreuen. Dem einen Jugendlichen schlägt bei dieser Herausforderung das Herz höher, dem anderen rutscht es in die Badehose. „Ich bin viel motivierter, wenn ich weiß, ich mach nicht nur die Lakaien für jemand anders“, meint Thorsten Casteigner aus dem dritten Lehrjahr. Azubi Franziska Libowski, die im Strandbad Tegelsee arbeitet, gesteht sich dagegen ein: „Ich hab schon ein bisschen Bammel. Wenn eine Fachkraft mal Pause macht, ist nur noch die andere da und du. Wenn dann gutes Wetter ist und der Strand proppevoll ...“ Zum Glück müssten die Bademeister im Schnitt nur alle fünf Jahre jemanden wiederbeleben. Und dann sei ja immer ausgebildetes Personal in der Nähe, macht sie sich Mut.
Das Projekt stärkt den Zusammenhalt zwischen den Jugendlichen und fördert anscheinend auch ihre Kreativität: Am Tegeler See wollen sie ein Beach-Volleyball-Turnier organisieren, in Jungfernheide eine Musikveranstaltung auf die Beine stellen.
Für Frühschwimmer gibt es noch eine andere gute Nachricht: Nach dem Protest von Bürgerinitiativen öffnen die Sommerbäder Am Insulaner und Wilmersdorf sowie das Kombibad Spandau Süd ab Samstag statt um 10 Uhr wieder schon um 7 Uhr morgens.
Das Weddinger Humboldtbad bleibt voraussichtlich weiterhin geschlossen. Ob die BBB damit Gelder einsparen, ist jedoch fraglich. Denn wenn wütende Berliner einfach über den Zaun klettern, müssen die BBB das Bad räumen lassen, da sie haften. Lipinsky spielt nun mit dem Gedanken, Wachpersonal einzustellen. ANTJE LANG-LENDORFF
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