piwik no script img

Pille gegen schlechtes Gewissen

Biotechnologie-Tage im CCH eröffnet. Forschungsministerin will die „Grenzen der neuen Technologie nicht zu eng setzen“  ■ Von Peter Ahrens

Es ist nicht das Parkett, auf dem der Bürgermeister sich zu Hause fühlt. Daher sagt Ortwin Runde nur, dass Hamburg ein wichtiger Standort der neuen Technologie sei und überlässt das Feld weitgehend der Fachressortleiterin aus Berlin. Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sitzt dem Bürgermeister zur Seite und singt das hohe Lied der Biotechnologie. „Viele Menschen hoffen durch sie auf Möglichkeiten, heute noch unheilbare Krankheiten besser behandeln oder gar heilen zu können“, sagt sie vor der Presse im CCH und ist damit ganz auf Linie des Bundeskanzlers.

Ein paar Meter weiter sitzen die zusammen, die das Wohlgefallen Bulmahns haben. Bei den Biotechnologie-Tagen, die gestern eröffnet wurden und heute zu Ende gehen, diskutieren 450 ForscherInnen „neueste Entwicklungen auf dem Gebiet moderner Biotechnologie und Medizintechnik“. Die Ethikdebatte spielt keine Rolle.

Die Ministerin sah sich allerdings schon zur Eröffnung gezwungen, auf Fragen der Moral einzugehen – hatte doch Bundespräsident Johannes Rau in der Vorwoche in einer Grundsatzrede vor den Gefahren der Bio- und Gentechnologie gewarnt. Einen „wichtigen Beitrag“ habe Rau damit geleistet, man sehe, dass man diese Fragen „nicht nur unter einem Aspekt betrachten“ dürfe. Damit war das abgehakt, und Bulmahn und Runde konnten zu dem übergehen, was ihnen wichtig ist: Man dürfe die Grenzen der Biomedizin „nicht zu eng setzen“, sagt die Ministerin. Das Klonen von Menschen und das Herstellen von Embryonen zu Forschungszwecken lehne sie ab, aber das Forschen mit „überzähligen befruchteten Eizellen“ müsse überlegbar sein. Im Übrigen redet sie nicht so gern von Bio- und Gentechnik, sondern spricht lieber von den „Lebenswissenschaften“.

Diese gehören auch zu den neuen Technologien, die der Hamburger Senat nach Kräften fördert. „Luftfahrt, Mikroelektronik, Biotechnologie – das führen wir immer gerne an, wenn wir auf moderne industrielle Strukturen in Hamburg hinweisen“, sagt Andreas Richter, Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Der Senat kann zwar nicht darauf hinweisen, dass Hamburg Hauptstadt der Branche sei – dieser Rang ist an München vergeben – doch mit der Eppendorf AG, der Leidenberger-Gruppe und Evotec sitzen drei der deutschen Platzhirsche in der Hansestadt. Damit ist Hamburg besonders im Pharma-Bereich der Biotechnologie relativ stark. Die Eppendorf AG in Poppenbüttel wurde vor allem durch die Produktion von Laborhilfsmitteln wie Pipetten oder Zentrifugen bekannt. Leidenberger kümmert sich insbesondere um die Finanzierung neuer Biotech-Firmen, und Evotec will durch Forschung der Industrie die Zeit verkürzen, die ein Medikament bis zur Marktreife braucht.

Evotec-Geschäftsführer Kars-ten Henco, dessen Unternehmen in Stellingen Runde und Bulmahn gestern Vormittag einen Besuch abstatteten, machte vor der politischen Prominenz auch keinen Hehl daraus, auf welcher Seite er sich und die Forschungen seiner Firma ansiedelt: „Wir verstehen uns als Partner der Pharma-Industrie.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen