Justiz in der DDR
: Vorschlag Todesstrafe

■ Schau über Richter im Parteiauftrag

„Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Mit dieser Direktive ging Walter Ulbricht 1945 an den Aufbau der DDR. Ein kühner Traum für den ersten „Arbeiter- und Bauernstaat“ auf deutschem Boden – auf jeden Fall war der Weg zur DDR mit Unrecht gepflastert. Über 50 Jahre später zeigt die Ausstellung „Im Namen des Volkes?“ in der Unteren Halle des Rathauses, dass im Osten Recht längst nicht Gerechtigkeit bedeutete.

Justiz im Kampfauftrag der Partei, Bautzen, Stasi und die Folgen: Was Richter als SED-Schergen anrichten können, schildern gen 60 Tafeln mit Dokumenten, Fotos und Diagrammen. Da ist die Hausmitteilung aus dem Zentralkomitee, die zehn Tage vor der Verhandlung schon Urteile gegen fünf wegen Spionage angeklagte Rias-Mitarbeiter vorschlägt. „Folgende Strafen sind beabsichtigt ...“ Und da sind die handschriftlichen Einwände Ulbrichts, der „lebenslanges Zuchthaus“ durchstreicht und durch „Vorschlag Todesstrafe“ ersetzt. Natürlich wurde auch so entschieden.

Oder die „Waldheimer Prozesse“ von April bis Juni 1950. Scheinverfahren mit 3392 Urteilen, gefällt im 30-Minuten-Takt. Ohne Anwalt, ohne Öffentlichkeit, ohne Zeit zur Verteidigung. So wurde ein mutmaßlicher Brückensprenger zu 15 Jahren Gefängnis verdonnert, obwohl er nachweisen konnte, dass die Brücke noch steht. Über die Hälfte der Waldheimer Angeklagten wanderte länger in die Knäste, 146 lebenslang, 32 Mal gab's das Todesurteil.

200.000 BesucherInnen haben die Ausstellung des Bundesjustizministeriums bereits in 26 Städten gesehen. Dennoch ist die Schau weniger Siegerjustiz als Aufarbeitung jüngster deutscher Vergangenheit. „Zeitgeschichte ist Geschichte, die noch qualmt“, sagte der Schriftsteller Erich Loest 1991. Das DDR-Justizregime qualmt gewaltig: 170.000 strafrechtlich Verfolgte haben nach der Wende Rehabiltierung beantragt. ksc

Noch bis zum 22. Juni. Mo. bis Fr. 9 – 18 Uhr, Sa. und So. von 11 – 16 Uhr. Kostenlose Führungen unter Tel. 3612922 oder 0178/3323188 angemelden.