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Bajuwarische Berlusconis

Mit einem Sieg beim heutigen Finale der Champions League gegen Valencia will Bayern München in Europas Fußballadel aufsteigen und endlich auch seinen Präsidenten Beckenbauer zufrieden stellen

aus Mailand MATTI LIESKE

Es ist überaus passend, dass das Finale der Champions League dieses Jahr in Mailand stattfindet, der Hochburg des italienischen Wahlgewinners Silvio Berlusconi. Der hat nämlich eine Menge gemein mit Endspielteilnehmer Bayern München, und zwar nicht nur die Sympathie der CSU. Wie Berlusconi verdanken die Bayern ihre Erfolge auf nationaler Ebene dem schnöden Mammon, wie er sind sie Objekt flächendeckender Antipathie, wie er fühlen sie sich vor allem im Ausland gering geschätzt und sind darüber maßlos gekränkt.

Selten zuvor hat man einen Vereinsvertreter so gebetsmühlenhaft den Satz von der momentan besten Mannschaft Europas rezitieren hören wie zuletzt Bayern-Manager Uli Hoeneß. Aber allein, dass er es so oft sagen muss, zeigt, wie wenig man ihm glaubt. Manchester geschlagen, Real Madrid geschlagen, das bringt Respekt vor dem heutigen Finale gegen den FC Valencia (20.45 Uhr, RTL), doch von Bewunderung kann keine Rede sein. Dafür waren die Mittel, die taktischen Winkelzüge des Ottmar Hitzfeld, mit denen er sogar das überirdische Zusammenspiel der Herren Figo und Raúl lahmlegte, viel zu profan. Man kann einem Künstler den Pinsel aus der Hand schlagen, doch ist man deshalb noch lange nicht selbst ein großer Maler.

Zudem ist das unbestrittene Verdienst, dreimal in Folge unter die besten vier gekommen zu sein, in Wahrheit nichts wert. Was zählt, ist nur der Gewinn der Champions League, nur dieser bringt die Erhebung in den europäischen Adelsstand. Bisher zehren die Münchner in dieser Hinsicht noch immer von den drei aufeinanderfolgenden Siegen in den 70ern im Landesmeister-Cup. Auch damals wurde zumindest gegen Leeds und St. Etienne nicht gerade mitreißend gespielt, doch das war in jenen Zeiten nicht so schlimm. Was zählte, war das Resultat. Inzwischen, spätestens seit der WM 1998, ist dummerweise schöner, offensiver Fußball in Mode gekommen. Wurde Ernst Happels Erstickung von Platinis Juventus Turin 1983 mit dem HSV noch als Meisterleistung gefeiert, zieht eine Mauertaktik wie die von Hitzfeld gegen Real heute nur den Spott von Leuten wie Johan Cruyff nach sich, der Bayern München eine „schreckliche Mannschaft“ nannte.

Zu allem Überfluss lauert der Verrat auch noch in den eigenen Reihen. Vereinspräsident Franz Beckenbauer hatte sichtliche Schwierigkeiten, nach dem Halbfinal-Sieg bei Real Madrid auch nur ein lobendes Wort für sein Beton-Team zu finden, und dass er die erste Möglichkeit, bei der Hitzfelds System nicht funktionierte, das 0:3 in Lyon, sofort dazu nutzte, sich seinen angestauten Zorn von der Seele zu reden, spricht Bände.

Franz Beckenbauer nämlich ist ein fußballerisches Zwitterwesen. Die Ästhetik und Kreativität, die sein eigenes Spiel so einzigartig machte, kollidierte im Laufe seiner Karriere als Spieler und Trainer immer wieder mit dem von seiner Herkunft aus dem Giesinger Handwerkermilieu geprägten Sicherheitsbedürfnis. In der Praxis verschrieb er sich zunehmend der defensiven Seite des Fußballs, seine Liebe aber gehörte stets dem attraktiven Spiel, was zu paradoxen Situationen führte. Nach der WM 1986, wo sich sein Team ins Finale gegen Argentinien gemauert hatte, gab er zu, es wäre eine Schande für den Fußball gewesen, wenn die Mannschaft Weltmeister geworden wäre. In Italien 1990 stauchte er die fassungslosen Spieler nach Siegen zusammen, wenn sie seinen Ansprüchen nicht genügt hatten.

Sitzt er heutzutage auf der Bayern-Tribüne, sieht man oft, wie er körperlich leidet unter den Darbietungen einer Mannschaft, die nur gut spielen kann, wenn sie alles gibt, und sofort ins Mittelmaß sinkt, wenn die Motivation nachlässt. An dieser wird es heute in Mailand nicht fehlen, wenn es gegen einen FC Valencia geht, der eine ähnliche fußballerische Disposition wie die Bayern aufweist. Normalerweise keine gute Voraussetzung für ein berauschendes Spiel. Aber das hat man vor dem Uefa-Cup-Finale zwischen Liverpool und Alavés auch gedacht. Und dann endete es mit einem packenden 5:4.

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