piwik no script img

Strenge Regeln für Gentests

Genetische Untersuchungen sollen noch vor der nächsten Wahl gesetzlich geregelt werden. Der grüne Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch stellte gestern einen entsprechenden Gesetzentwurf vor: Keine Gentests bei Versicherungen

Grundsätzlich sollen Gentests untereinem ärztlichen Vorbehalt stehen

aus Berlin WOLFGANG LÖHR

Eine Diskriminierung und Selektion auf Grund von genetischen Untersuchungen darf es nicht geben. Hier gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Dies sagte Rezzo Schlauch, der Fraktionsvorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, gestern in Berlin. Deshalb wollen die Grünen den Umgang mit Gentests noch in dieser Legislaturperiode regeln. Ein entsprechendes von der Fraktion ausgearbeitetes Eckpunktepapier einschließlich eines Entwurfes für ein Gentestgesetz stellte Schlauch gestern der Öffentlichkeit vor.

Der Entwurf enthält Vorschriften, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine genetische Untersuchung durchgeführt werden darf und wie mit den Testergebnissen zu verfahren ist. Grundsätzlich sollen Gentests unter einem ärztlichen Vorbehalt stehen. „Nur ein Arzt darf“, so Rezzo Schlauch, „einen Gentest verschreiben.“

Widerspruch zu dem grünen Papier wird es sicherlich von der Gentech-Industrie geben. Denn nach dem Willen der Grünen sollen nur zugelassene Gentests eingesetzt werden dürfen, der freie Verkauf, in Apotheken zum Beispiel, soll grundsätzlich untersagt werden. Und gerade hier, bei den einfach zu handhabenden Gentests, die von der Bevölkerung selbst angewandt werden können, erhofft sich die Industrie ein großes Geschäft.

Unerlaubte Gentests sowie die rechtswidrige Weitergabe und Verwertung genetischer Daten sollen unter Strafe gestellt werden. Ein Verbot von Gentests bei Einstellungen soll verhindern, dass Arbeitnehmer auf Grund ihrer Gene diskriminiert werden. Nur in wenigen Ausnahmen soll es Arbeitgebern erlaubt sein, eine genetische Untersuchung zur Voraussetzung für eine Einstellung zu machen – wenn die besondere Verantwortung es erfordere, heißt es dazu bei den Grünen. Zum Beispiel könnte der Flugzeugpilot einem Gentest unterzogen werden, um herauszufinden, ob er an einer Krankheit leidet, die mit Ohnmachtsanfällen verbunden ist.

Auch Versicherungen soll verboten werden, Gentests einzusetzen. Weder beim Abschluss noch bei einer Vertragsänderung soll Versicherungen erlaubt sein, nach einem Gentest zu fragen oder ihn anzuordnen. Sollte der Versicherungsnehmer jedoch vor Vertragsabschluss Kenntnis von einer Erbkrankheit haben und diese verschweigen, könne das dazu führen, dass die Versicherung keine Leistung erbringen muss. Sollte die genetische Disposition Einfluss auf den Versicherungsverlauf haben, so wäre das „sittenwidrig“, sagte Schlauch. Die Versicherungen wären dann von Zahlungen freigestellt. Das entspricht der derzeitigen Praxis bei Lebensversicherungen: Die Versicherungen verzichten freiwillig auf Gentests, verweigern aber die Leistung, wenn sich hinterher herausstellt, dass der Versicherte wichtige Informationen verschwiegen hat.

Besonderen Wert legte der Fraktionsvorsitzende Schlauch („Wir sind eine Bürgerrechtspartei.“) bei der Vorstellung des grünen Positionenpapiers auf das „informelle Selbstbestimmungsrecht“. „Es gibt ein Recht auf Nichtwissen“, betonte Schlauch. Niemand dürfe gezwungen werden, gegen seinen Willen genetische Daten zur Kenntnis zu nehmen, die ihn betreffen. Eine umfassende Beratung soll sicherstellen, dass Gentests nur mit einer informierten Zustimmung durchgeführt werden. Während bei medizinisch begründeten Gentests der Entwurf die informierte Zustimmung hochhält, ist bei Gentests zu Forschungszwecken nur noch von einer Zustimmung die Rede. Das könnte dann auch eine allgemeine Einwilligung sein, die pauschal erlaubt, mit den Blut- oder Gewebeproben zu forschen. So wie es heute in vielen Kliniken bereits praktiziert wird.

„Auch hier ist auf jeden Fall informierte Zustimmung erforderlich“, protestiert Monika Knoche, die für die Grünen-Fraktion in der Enquete-Kommission zur Bioethik sitzt. Knoche, die sich zur Zeit in Bosnien aufhält, versteht gar nicht, warum Schlauch mit dem Papier jetzt an die Öffentlichkeit gegangen ist. Das jetzt vorgestellte Papier sei nicht mit der Fraktion abgestimmt worden, kritisiert Knoche gegenüber der taz. Sie spricht von einem „Alleingang“ des Fraktionsvorsitzenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen