: Arzt ohne Feierabend
Klinikärzte arbeiten zu viel und bekommen Überstunden nicht bezahlt. Heftige Klagen beim Deutschen Ärztetag
LUDWIGSHAFEN dpa/taz ■ Manchmal hackt eine Krähe der andern doch ein Auge aus. Wenn es um die Arbeitszeit und die damit einhergehende Ausbeutung von Klinikärzten geht, kennen die Standesvertreter kein Pardon mehr. Im Krankenhaus werde der Nachwuchs systematisch ausgebeutet, klagt Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer. Die Jungärzte würden „unwürdig behandelt“ , kritisierte Hoppe zum Auftakt des deutschen Ärztetages, der gestern in Ludwigshafen begann.
„Was sich in unseren Kliniken abspielt, lässt sich nicht mehr verantworten“, sagte Hoppe und zählte unter anderem auf, dass jährlich 50 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet würden. Hinzu kämen unzumutbare Knebelverträge und die Angst vor Repressalien. Auch Frank-Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marbuger Bundes, will die Situation in den Kliniken nicht mehr vertreten. Mit Bereitschaftsdienst würden die jungen Kollegen bisweilen 32 Stunden hintereinander arbeiten, sagte er. Von prominenter Seite erhielten die Gebeutelten Beistand. In ihrem Grußwort signalisierte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) Verständnis: Ein viel zu großer Anteil der Kliniken mute ihren Mitarbeitern überlange Arbeitszeiten zu.
Hoppe empfahl den jungen Kollegen, sich notfalls mittels Klagen gegen die Ausbeutung zur Wehr zu setzen. Er verwies auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der voriges Jahr entschieden hatte, dass auch Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit zu werten sind.
Der Ärztetag will heute ausführlich über die Situation junger Mediziner beraten. Auf dem Programm steht auch das Thema Gentechnik. Die Debatte darüber dürfte lebhaft werden. Hoppe lehnt eine Forschung an embryonalen Stammzellen vehement ab. Die Ärzte tagen noch bis Freitag. ROGA
kommentar SEITE 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen