Laura, die Traumfrau

■ Statt der ewiggleichen deutsch-britischen Elendsstücke, zeigt das Oldenburger Theater Wrede mal die italienische Sicht auf Klassenge-gensätze, Polizeimorde, Liebe und Eifersucht

Drei Jungs hängen am Bretterzaun, gucken auf die andere Seite. Eine Musette weht herüber, wie eine leichte Brise. Vom Haus der Großen kommt sie, und da ist Laura. Und in Laura sind sie verliebt; Guido, der Sohn des Gutsbesitzers, Pietro, Sohn des Tagelöhners und auch der kleine Pasarillo, dessen Vater erschossen wurde, von der Polizei. Genau wie später Pasarillo selbst, der Sohn des Landstreichers, weil er seinem Freund Guido lange Hosen bringen wollte, die Pietro ihm geklaut hatte, damit er, Pietro, Lauras Gunst ganz für sich haben kann. Denn was ist schon ein Mann ohne Hosen! Die drei sind schließlich „Kleine Männer“. Das Stück von Tiziana Lucattini wurde vom Oldenburger „Theater Wrede“ zur Erstaufführung gebracht. Es geht liebevoll mit seinen Figuren um, den heranwachsenden Jungs, die soziale Schranken im Spiel ignorieren, sich dran stoßen, die sich dann als Erwachsene wiedertreffen, in Erinnerung schwelgen an ... wie hieß sie noch – und dabei gewahr werden, dass die Kluft ihrer Herkunft unüberbrückbar zwischen ihnen liegt. Der distinguierte Guido (Christoph Linder) isst Pasta mit Schwarzwurzelspitzen, trinkt den Wein seiner Reben. Pietro sucht Arbeit. Passarillo ist tot, doch geistert er als Elf, als Faun durch die Szene. Er sitzt Guido leibhaftig im Nacken kommentiert mit wilden Gesten dessen blasiertes Gerede, und verkörpert die Erinnerung: Wie der Freund erschossen wird, weil er, Guido, der weibische Tolpatsch, die Kisten umwarf, die den Polizisten erschlugen. Doch den Sohn des Gutsbesitzers treffen natürlich keine Polizeikugeln.

Dieses Stück ist wirklich ein kleiner Glücksfall, denn es verwebt die Phantasien der Jungs derart mit den Erinnerungen der Erwachsenen, dass im Spiel keinerlei Brüche entstehen, so emotional logisch fügt sich Vorstellungswelt der Kinder, über ihre Erinnerung an die eigenen Väter zu ihrem späteren Erwachsenenleben: Wie der Vater so der Sohn. Einzig Laura, die Traumfrau, Hort der Projektionen, sie könnte es wenden, sie kann weinen, und das macht sie stark... und unerreichbar. Peter Henze ist der kleine Pasarillo, der als Toter zurückblickt, seine Geschichte erzählt, die Szenen einfädelt, liebevoll getätschelt zwischendurch von dem kräftigen, sinnlichen Martin Päthel (Köln) als Pietro, dessen laute Stimme Pasta anpreist, und Tomaten, so, wie sein Vater es getan hat. Der Theaterraum wird zum Marktplatz, Italien riecht sich da, und die Musik beschwingt bis sie sphärisch, zärtlich melancholisch stockt, am Totenbett des Passarillo innehaltend. Die Klangcollagen von Friedemann Schmidt-Mechau sind sehr sphärisch und emotional genau abgestimmt, da wird nichts gepuscht, auch nichts übertüncht, sondern das Spiel in der Regie von Winfried Wrede optimal gestützt. Wie gesagt: ein Glücksfall.

Marijke Gerwin

Weitere Aufführungen: 28., 29., 30. und 31. Mai, 10 Uhr, 30. Mai auch um 16 Uhr, 31. Mai auch um 19.30 Uhr. Fabrik Rosenstraße, Rosenstraße 2, Oldenburg. Kontakt Tel.: 0441/85 098.