„Wir sind nicht auf Rosen gebettet“

Wolfgang Schäfer, der erste Chef der neuen Berliner Krankenhausgesellschaft Net-Ge, über einen spröden Namen, mehr Serviceorientierung, mehr Wirtschaftlichkeit, Personalabbau und die Zukunft des größten Gesundheitskonzerns Deutschlands

Interview RICHARD ROTHER

taz: Herr Schäfer, Sie sind seit dem 1. April nicht nur Chef der neuen Klink-GmbH, Sie sind auch neu in Berlin. Wie fühlen Sie sich in der Stadt?

Schäfer: Die Stadt ist faszinierend. Ich hatte zwar noch nicht die Gelegenheit, ins Theater oder Kino zu gehen. Aber allein schon durch die Stadt zu fahren und Termine wahrzunehmen ist eine schöne Sache.

Im Moment residieren Sie in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf. Da haben Sie oft Gelegenheit, durch die Stadt zu fahren.

Unser zentraler Sitz ist entschieden zu weit draußen. Das betrifft nicht nur uns, sondern alle, die zu uns kommen. Wir brauchen einen Sitz im Zentrum, näher dran an der Politik.

Sie führen ein Unternehmen, dessen Name Ihnen nicht gefällt. Was stört Sie an Net-Ge?

Von diesem Namen geht keine Botschaft aus. Ein Name muss etwas sein, das eine Vision ausstrahlt. Das gelingt Net-Ge, ausgesprochen „Netzwerk Gesundheit“, nicht. Der abgekürzte Name ist trocken, bürokratisch; man assoziiert alles Mögliche damit, aber kein großes Unternehmen im Gesundheitswesen. Wir haben deshalb entschieden, uns einen neuen Namen zu geben. Der Aufsichtsrat muss diesen aber noch auf seiner Sitzung am 28. Mai genehmigen. Dann wird ihn die Öffentlichkeit erfahren.

Welche Visionen sollen von Net-Ge ausgehen?

Wir müssen die einmaligen Chancen nutzen, die in unserem Unternehmen stecken. Wir sind das größte Unternehmen im Gesundheitswesen in Deutschland. Wir werden die verschiedenen Kompetenzen, die in unseren Häusern stecken, im Interesse der Berliner Bevölkerung bündeln. Das heißt, dass die Bevölkerung die Gewähr hat, dass sie, egal in welches Haus sie kommt, immer die gleiche Qualität vorfindet. Die Patienten müssen nach den gleichen, abgestimmten medizinischen und therapeutischen Verfahren behandelt werden. Wir werden sicherstellen, dass medizinische Spitzenleistungen dort vorgenommen werden, wo sie am besten erbracht werden können. Das heißt, dass wir auch in diesem Bereich zu Konzentrationen kommen müssen. Wir wollen ein Unternehmen aufbauen, das nicht nur ambulante und stationäre medizinische Behandlungen durchführt, sondern das auch im Bereich Altenpflege aktiv ist. Wir sind bereits heute mit über 2.000 Plätzen in der Altenpflege Berlins größter Anbieter. Gerade in dieser Verbindung von Krankenhäusern, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen liegt die Chance dieses großen Konzerns.

Wo sehen Sie die Stärken Ihres Unternehmens?

Die Stärken liegen in der großen Vielfalt des Angebots. Sie werden in Deutschland kein Krankenhausunternehmen finden, das in so hohem Maße großkalibrige Medizin anbietet. Da haben wir allein in der Bündelung des Wissens die größten Herausforderungen zu leisten. Im Moment wissen die einzelnen Einrichtungen noch gar nicht, wie stark wir insgesamt wirklich sind. Meine Aufgabe wird es sein, dieses den einzelnen Einrichtungen deutlich zu machen. Jedes Krankenhaus, jede medizinische Leitung, jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin müssen sich bewusst sein, dass sie Teil eines großen Gesundheitsunternehmens sind.

Wie stark ist die Konkurrenz zwischen den Häusern? Gibt es auch Unterschiede zwischen Ost und West?

Die Krankenhäuser sind bisher eine individuelle Unternehmenspolitik gefahren, obwohl sie schon immer unter einem Dach, nämlich dem des Landes Berlin, vereint waren. Und es gibt eine Grenze im Bewusstsein zwischen Ost und West, aber das ist nicht auf die Krankenhäuser beschränkt.

Was muss sich – Stichwort Serviceorientierung – im Unternehmen ändern?

Krankenhäuser sind Dienstleistungsunternehmen. Sie sind keine Vorsorgeunternehmen, die wie etwa die Feuerwehr allein durch ihre bloße Existenz eine Existenzberechtigung haben. Wir befinden uns in einem Sektor mit einem hohen Anteil an Wettbewerb. Wir sind gezwungen, uns über hohe Qualitäten und einen ansprechenden Service den Patienten als Kunden zu sichern. Die Patienten sollen sich – so weit das geht – bei uns wohl fühlen. Niemand muss um sechs Uhr morgens zum Waschen geweckt werden; und eine Putzkraft darf nicht während des Mittagessens durchs Zimmer wirbeln.

Sehen Sie noch Servicedefizite in den Berliner Einrichtungen?

Nach allem, was ich bisher gesehen habe, muss ich sagen, dass eine hervorragende Medizin gemacht wird, dass sehr engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tätig sind.

Wo liegen die Schwächen im Unternehmen?

Das erste Problem ist ein finanzielles; wir sind wahrlich nicht auf Rosen gebettet. Zum zweiten bauen wir diesen Konzern erst auf. Im Bereich des Materialeinsatzes müssen wir Konzentrationen vornehmen; wir halten hier mehrere Dinge mehrfach vor. Wir werden rationalisieren, um Mittel freizusetzen, die wir für die Verbesserung unserer Qualität einsetzen können.

Die Behandlungskosten liegen in Berlin rund 30 Prozent über dem Durchschnitt. Woran liegt das?

Das liegt mit Sicherheit nicht an der Tatsache, dass die Berliner Bevölkerung älter und kranker ist als im Rest der Republik. Obwohl es Randbereiche mit großen sozialen und damit auch medizinischen Problemen gibt – wir betreiben etwa die größte HIV-Klinik Europas in Berlin. Aber damit kann man nicht die Unwirtschaftlichkeit des bisherigen Betriebes begründen. Das liegt an der historischen Situation. Auch zehn Jahre nach der Wende verfügen wir über ein zu hohes Angebot an Dienstleistern. Deswegen haben wir in verschiedenen Bereichen, vor allem in der Administration, eine eklatante Überbesetzung.

In zwei Jahren soll Ihr Unternehmen schwarze Zahlen schreiben. Ist das realistisch?

Diese politische Wunschvorstellung ist nicht realisierbar.

Wie viel Personal soll abgebaut werden?

Wir haben im Moment rund 17.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen; wir brauchen wesentlich weniger. Mit viel Fingerspitzengefühl und unter Wahrung sozialer Aspekte müssen wir eine sehr sensible Personalreduktion fahren. Aber wir können nicht nur im personellen Bereich sparen. Jedes Krankenhaus hat seine eigene Waren- und Arzneimittelliste. Der Einsatz von Produkten unterschiedlicher Firmen ist riesengroß. Wenn wir das konzentrieren, können wir aufgrund unserer Marktmacht nicht nur die Preise reduzieren, sondern wir sichern auch über den einheitlichen Wareneinsatz eine Kontinuität in der Qualität.

Für ein serviceorientiertes Unternehmen benötigen Sie motivierte Mitarbeiter. Ist da ein Personalabbau nicht kontraproduktiv?

Wir können nur sichere Arbeitsbedingungen garantieren, wenn das Unternehmen wirtschaftlich gesund ist. Ein wirtschaftlich krankes Unternehmen läuft eher Gefahr, seine Beschäftigten zu demotivieren. Ergo liegt es es an jedem selbst, zu erkennen, dass eine qualifizierte serviceorientierte Dienstleistung die Voraussetzung dafür ist, das Unternehmen gesund zu machen. Das ist die beste Voraussetzung für einen attraktiven und sicheren Arbeitsplatz.