Spotlights aus Afrika (IV): Der Emir

Dutse ist nicht besonders groß. Eigentlich besteht die Stadt nur aus einem Markt und zwei Kreuzungen an der Straße nach Kano. Aber 1992 hat sie es zur Hauptstadt des Bundeslandes Jigawa in Nord-Nigeria gebracht

Seit Anfang des Jahres reist taz-Korrespondent Peter Böhm quer durch Afrika, und zwar von Ost nach West: von Somalia bis Senegal. Als Ziel hat er sich gesetzt, keinen Meter mit dem Flugzeug zurückzulegen. In unserer taz-Serie berichtet er regelmäßig von unterwegs – heute aus Nigeria.

Der Emir von Dutse ist ein gebildeter Mann. Er hat an der Universität von Ohio Wirtschaftswissenschaften studiert und ist in den Siebzigerjahren 12 Monate lang durch Europa und die Vereinigten Staaten gereist. Seitdem hat er so ziemlich jede bewohnte Region der Erde besucht. Nun fehlen ihm nur noch Ost- und Südafrika.

In seinem kleinen Emirat mit etwas mehr als einer Million Untertanen ist der 56-Jährige so etwas wie ein Popstar. Wenn er mit seinem großen Mercedes, mit dem Nummernschild „EMIR OF DUTSE“ durch die Straßen fährt, bleiben die Leute stehen und jubeln ihm zu.

Zugegeben, Dutse ist nicht besonders groß. Eigentlich besteht die Stadt nur aus einem Markt und zwei Kreuzungen an der Straße nach Kano. Aber 1992 hat sie es immerhin zur Hauptstadt des Bundeslandes Jigawa gebracht. Und dann gibt es ja in Nord-Nigeria in noch viel schlimmeren Käffern einen Emir.

In der Gegenwart Seiner Hoheit – so wird der traditionelle Herrscher dem Protokoll gemäß angesprochen – wird viel auf den Knien herumgerutscht. Auch das ist im Norden Nigerias nichts Besonderes. Ich habe hier Leute vor Beamten, Richtern, islamischen Geistlichen und sogar vor mir – ein Bettler in Gusau! – wie selbstverständlich knien sehen. Aber am Hof des Emirs wird besonders ausgiebig gekniet. Sogar sein eigener Bruder, der sein erster Minister ist, nähert sich ihm nur unter lautstarken Beteuerungen seiner Loyalität und mit gebeugtem Knie.

An dem Tag, an dem ich den Emir besuchte, wurden gerade sieben neue Dorfchefs ernannt. Die Fliegen kreisten über ihnen, als sie zusammen mit ihren Anhängern wie Vieh in den Palast getrieben wurden. Vor dem Emir liegend sprachen sie den Amtseid und entfernten sich dann mit gesenktem Haupt. Dem Emir wurde während der Zeremonie von einem Diener mit einem Fächer aus Straußenfedern Luft zugefächelt. Die Männer seines Hofstaates nahmen sofort danach wie Schauspieler hinter der Kulisse ihren aufwendig gebundenen Turban ab.

Die vielen bunten Roben und das zeremonielle Brimborium bei Hof könnten leicht darüber hinwegtäuschen, dass der Emir ein Mann mit enormer politischer Macht ist. Offiziell berät er die Regierung von Jigawa nur in Fragen der Sicherheit und des Islam. Aber im Grunde ist er es, der mit seiner Organisation von mehr als 200 Weiler-, Dorf- und Bezirkschefs in seinem Emirat die Arbeit der Polizei erledigt. Denn die steht in Nigeria unter Bundeshoheit, ist also in den Dörfern ortsfremd. Außerdem ist sie notorisch korrupt und deshalb bei den Leuten nur schlecht gelitten.

Die Organisation der traditionellen Chefs, seine mehr als 100 weiteren Angestellten, seine 100 Pferde für die Parade zum Ende des Fastenmonats Ramadan sowie den Mercedes und alles andere muss der Emir von einer 5-prozentigen Abgabe bestreiten, die alle lokalen Regierungen in seinem Gebiet von ihren Einnahmen an ihn entrichten müssen. Und diese Summe, das sagt er selbst, lässt ihn nicht am Hungertuch nagen.