: Die Generation Golf fährt anderswo
Der Kulturteil der taz versucht jeden Tag aufs Neue, das Unmögliche möglich zu machen. Klingt gut. Aber was heißt das?
von DANIEL BAX
Dass auf den Fluren der taz der Geist von 1968 umgeht, ist außerhalb dieser Räume ein weit verbreiteter Eindruck. Zu Recht. Nicht umsonst ist das Gebäude, das die Redaktion in Berlin bevölkert, nach Rudi Dutschke benannt worden.
Trotzdem ist die taz die jüngste Tageszeitung Deutschlands. Das liegt nicht nur an ihrem Geburtsdatum, das sie als zweitjüngste Tageszeitungs-Neugründung der Nachkriegszeit ausweist (und noch immer als jüngste erfolgreiche). Das liegt vor allem am Durchschnittsalter ihrer Redakteure. Das liegt noch immer deutlich unter dem anderer überregionaler Tageszeitungen, nicht zuletzt dank hoher Fluktuation, die immer wieder neue Schreibergenerationen in die Redaktionsräume führt.
Nun ist Jugendlichkeit an sich kein Vorzug. Aber sie ist ein Wesenszug, der den Blick der taz gerade auf kulturelle Phänomene traditionell auszeichnet. Ein Erbe der Studentenbewegung, das die taz bis heute prägt, ist ihre Affinität zur Welt des Pop, die mittlerweile vom Alltag bis in die Debatten reicht. So konnte Klaus Theweleit angesichts der Rolle der Grünen im Kosovo-Krieg über das neue Politverständnis der „Very Important Grown-Ups“ argumentieren. Die Nähe zu bestimmten Szenen bedingt die Schärfe des Blicks.
Die taz habe „das Fanzine feuilletonisiert“, befand die Kollegin Brigitte Werneburg deshalb einmal. Nun hat Pop viel von seinem Nimbus als Stimme des Anderen, als Ort der Artikulation des Nichteinverstandenseins eingebüßt. Der Anspruch, für eine Gegenkultur zu stehen, hat sich aufgelöst wie die Milieus, die diese einst trugen. Aufgelöst allerdings wie eine Spalt-Tablette, die ihre Wirkung unsichtbar nun allerorten entfaltet. Pop ist heute überall.
Andere Zeitungen haben von der taz gelernt und nicht selten mit deren Autoren ihr eigenes Feuilleton aufgefrischt. Die taz ist zugleich erwachsener und heterogener geworden. Zur Schwierigkeit, sich thematisch und stilistisch noch von anderen Zeitungen abzuheben gesellte sich die Herausforderung, dass sich auch die Leserschaft der taz zunehmend ausdifferenziert hat, nach Lebensalter und in Szenen.
Es gibt nicht die eine Kultur, der die taz und ihre Leser nahe stehen, sondern viele. Als Zeitung all diesen unterschiedlichen Lebenswelten gerecht werden zu wollen, grenzt heute nahezu an Unmöglichkeit.
Der Kulturteil der taz versucht jeden Tag aufs Neue, das Unmögliche möglich zu machen. Bob Dylans wird hier gedacht wie auch die Entwicklung elektronischer Musiken verfolgt, und Alternativ, Post- und Indierock haben hier ebenso ihren festen Platz wie Jazz oder HipHop, aus Deutschland oder aus den USA. Oder eben auch Musik aus dem Rest der Welt – die so genannte Weltmusik, der in der heutigen Ausgabe eine ganze Beilage gewidmet ist.
Die Kulturredakteure der taz berichten verlässlich von den großen Filmfestivals in Cannes, Venedig und Berlin, den wichtigen Kunst-Biennalen oder den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig. Sie vergessen aber auch nicht den bizarren Sexfetischismus im japanischen Kino, oder die aus dem Low Budget gestampfte Theaterpremiere auf einer Off-Bühne vor der Haustüre. Dann muss selbst Frank Castorfs Volksbühne Platz machen.
Günter Grass und Benjamin von Stuckrad-Barre, Louise Bourgeois und Wolfgang Tillmans, Godard und Spike Lee, Blumfeld und Britney Spears – der Kulturteil der taz spiegelt die Vielfalt der Interessen ihrer Leser, die auch die ihrer Autoren ist. Und für die eher literarische Traditionslinie der taz stehen Autoren wie Gabriele Goettle und Helmut Höge, die an einer Anthropologie des Randständigen schreiben, aber auch neuere Autoren wie Wladimir Kaminer, Jochen Schmidt und Falko Hennig.
taz-Autoren schreiben zuallererst über Dinge, von denen sie etwas verstehen. Deswegen finden sich hier keine Besinnungsaufsätze, die anderswo „politisches Feuilleton“ heißen. Und keine umfassenden Welterklärungsversuche, die anderswo als „wissenschaftliches Feuilleton“ ausgegeben werden.
Auch die taz hat ihre Toskana-Fraktion, die dem Genuss kultureller Oberflächen nicht abgeneigt ist. Sie interessiert sich für Popliteratur und debattiert darüber. Aber sie weiß eben auch, dass diese nicht, oder zumindest nicht in erster Linie, die Literatur einer Generation, sondern bestenfalls eines Teils davon ist. Und sie ist sicher kein Organ der „Generation Golf“, auch wenn die Kollegin vom Film einen Wagen dieser Marke fährt.
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