: Eine außerordentlich humane Vorschrift
Ein Fachmann erläutert, warum die Taliban Andersgläubige kennzeichnen müssen. Von Dr. Joseph Goebbels
Alle Ungläubigen gehören aufgrund ihrer Geburt und Rasse einer internationalen Verschwörung gegen das talibanische Afghanistan an. Sie wünschen seine Niederlage und Vernichtung und tun, was in ihren Kräften steht, um daran mitzuhelfen. Dass sie im Taliban-Reich selbst dazu nur noch geringe Möglichkeiten finden, ist nicht etwa darauf zurückzuführen, dass sie dort loyal wären, sondern ausschließlich darauf, dass die Taliban dagegen die geeignet erscheinenden Maßnahmen getroffen haben.
Eine dieser Maßnahmen ist die Einführung des gelben Flecks, den jeder Hindu zu tragen hat. Damit wollen die Taliban ihn äußerlich kennzeichnen, vor allem auch deshalb, damit er beim geringsten Versuch, sich gegen die Volksgemeinschaft zu vergehen, auch gleich als Ungläubiger erkannt wird. Es ist das eine außerordentlich humane Vorschrift, sozusagen eine hygienische Prophylaxe, die verhindern soll, dass der Hindu sich unerkannt in die Reihen der Taliban einschleichen kann, um Zwietracht zu säen.
Als die Ungäubigen, geschmückt mit ihrem Hindufleck, im Kabuler Stadtbild erschienen, war der erste Eindruck unter den Bürgern der afghanischen Hauptstadt der einer allgemeinen Verblüffung. Nur die allerwenigsten wussten, dass es noch so viele Hindus in Kabul gab. Jeder entdeckte in seiner Umgebung oder Nachbarschaft einen harmlos tuenden Zeitgenossen, der zwar durch gelegentliches Meckern oder Miesmachen aufgefallen war, den aber niemand für einen Ungläubigen gehalten hatte. Er hatte sich also offenbar getarnt, Mimikry getrieben, sich in seiner Schutzfarbe dem Milieu, in dem er lebte, angepasst und auf seine Stunde gewartet. Wer unter uns hatte auch nur eine Ahnung, dass der Feind direkt neben ihm stand, dass er schweigender oder geschickt antreibender Zuhörer war bei Gesprächen auf der Straße, in den vor den Basaren stehenden Schlangen?
Es gibt Hindus, die man kaum noch an ihrem Äußeren erkennen kann. Sie haben sich auch in dieser Beziehung angeglichen, so weit es geht. Diese sind die gefährlichsten. Es ist charakteristisch, dass jede Maßnahme, die die Taliban gegen die Ungläubigen treffen, schon am anderen Tage in englischen und USA-Zeitungen zu lesen steht. Die Ungläubigen verfügen also heute noch über geheime Verbindungen zum feindlichen Ausland und nutzen diese auch nicht nur in eigener Sache, sondern in allen kriegswichtigen Angelegenheiten des Talibanreiches aus. Der Feind sitzt also mitten unter den Taliban. Was liegt nun näher, als dass die Taliban ihn wenigstens für jeden Bürger äußerlich kenntlich machen?
Die Hindus sehen sich nun ganz auf sich selbst gestellt und versuchen jetzt, einen neuen Trick anzuwenden. Sie kennen doch den gutmütigen Menschen im Talibankrieger, der immer gerne bereit ist, für eine sentimentale Träne alles ihm angetane Unrecht zu vergessen: Plötzlich hat man den Eindruck, als ob es unter den Kabuler Ungläubigen nur noch putzige kleine Babys, die durch ihre kindliche Hilflosigkeit rühren sollen, oder gebrechliche alte Frauen gibt. Die Ungläubigen schicken ihre Mitleidgarde vor. Sie mögen damit einige harmlose Gemüter in momentane Verwirrung bringen, nicht aber die Glaubensstarken. Die Taliban wissen ganz genau, woran sie mit ihnen sind.
Die Hindus müssen von der Volksgemeinschaft abgesondert werden, denn sie gefährden die nationale Geschlossenheit. Das ist ein elementares Gebot völkischer, nationaler und sozialer Hygiene. Sie werden niemals Ruhe geben.
Es gibt einen Unterschied zwischen Menschen und Menschen, genau wie es einen Unterschied zwischen Tieren und Tieren gibt. Wir kennen gute und böse Menschen, wie wir auch gute und böse Tiere kennen. Die Tatsache, dass der Hindu noch unter den Taliban lebt, ist kein Beweis dafür, dass er auch zu ihnen gehört, genauso wie der Floh ja auch nicht dadurch zum Haustier wird, dass er sich im Hause aufhält.
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