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montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens

Neulich saß ich in einem Café der neuen Berliner Mitte und stellte erschreckt fest: Der Begriffs- und Erfahrungshunger hatte mich gepackt. Es war diese Atmosphäre aus Aktion und Lebenswelt, dieses Klima der Befreiung und Tat, dieses Zischeln des Justemilieu, wenn es einen Moment der politisch-kulturellen Erfahrung durchmacht: Eine junge Frau im Abendkleid lief die Straße hinunter und schnauzte plötzlich ihren Begleiter, Freund oder Lover lauthals an: „Die Arbeiterklasse ist am Ende.“ Ein Raunen ging durch die Menge der Café-Besucher, zu denen viele Altlinke, wie ich es einmal leider auch einer war, gehörten. „Aber am glücklichen Ende“, rief der Mann seiner Geliebten, Freundin oder Frau zu. Das Publikum klatschte frenetisch Beifall, der Mann verbeugte sich und eilte dann der wutschnaubend davonstrebenden Schönheit nach. Ich wäre ihr gern nahe gekommen. Doch der Begriffs- und Erfahrungshunger hatte mich nachdenklich und satt gemacht. Ich stand auf, um in eine andere Richtung zu gehen.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.

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