: Tatverdacht? Überflüssig!
Grüne und PDS werfen der Polizei wegen der Einkesselung von 350 Menschen am 1. Mai Freiheitsberaubung im Amt vor. Christdemokraten machen PDS für Krawall mitverantwortlich
von ANDREAS SPANNBAUER
Die umstrittene Ingewahrsamnahme von rund 350 Menschen am 1. Mai auf dem Mariannenplatz ist gestern im Parlament scharf kritisiert worden. Die Polizei habe am Abend des 1. Mai eine Menschenmenge „ohne erkennbaren Grund eingekesselt“, sagte der grüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland in einer Sitzung des Innenausschusses. Neben aktiven Steinewerfern hätten sich unter den Festgesetzten auch unbeteiligte Besucher des zuvor beendeten Straßenfestes befunden, darunter sogar „infolge von erhöhtem Alkoholgenuss schlafende Menschen“.
Bei der Maßnahme handele es sich „objektiv um Freiheitsberaubung im Amt“, kritisierte Wieland weiter. Die Polizei habe „völlig falsche Personen festgenommen“. Dieses Vorgehen sei „politisch motiviert“ gewesen: Mit der hohen Zahl von Festnahmen habe Innensenator Eckart Werthebach (CDU) seine Verbotslinie gegenüber der linksradikalen 1.-Mai-Demonstration untermauern wollen. So habe die Polizei den Mariannenplatz gegen 18 Uhr „überrannt“, während die Veranstalter noch mit anderen Beamten über eine rasche Auflösung des Festes diskutiert hätten. Bis zum Abflauen der Krawalle gegen 20 Uhr sei trotz schwerer Auseinandersetzungen keine einzige Aufforderung ergangen, den Platz zu verlassen. Zudem habe die Polizei gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit verstoßen, da einige der Eingekesselten ohne Feststellung ihrer Personalien freigelassen, andere aber in die Gefangenensammelstelle verbracht und dort bis zum Morgen des 2. Mai festgehalten worden seien. Ein Grund für die Festnahme war einem Teil der Betroffenen erst um Mitternacht mitgeteilt worden. „Der Einsatz war offenkundig rechtswidrig“, sagte der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich.
Die Polizei wies die Vorwürfe zurück. Der stellvertretende Polizeipräsident Gerd Neubeck sagte, es habe sich lediglich um Ingewahrsamnahmen nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) gehandelt, bei denen die Gefahrenprognose im Vordergrund stehe: „Ein Einzelnachweis einer Tatbeteiligung ist dafür nicht erforderlich.“ Wer sich rund zwei Stunden lang nicht von Steinewerfern entferne, müsse selbst als Störer behandelt werden.
Die CDU nutzte die Gelegenheit, um die PDS für die Ausschreitungen mitverantwortlich zu machen. Der CDU-Abgeordnete Roland Gewalt sagte, es gebe einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Krawallen und der von der PDS-Bundestagsabgeordneten Angela Marquardt angemeldeten Demonstration gegen das Verbot der linksradikalen 1.-Mai-Demonstration. Dies zeige sich vor allem an Kontakten zwischen der PDS und der vom Verfassungsschutz als gewaltbereit eingestuften Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), laut Gewalt einer der „führenden Antifa-Gruppen“, die zum „Revolutionären 1. Mai“ aufgerufen hatte. So habe die AAB ihre Adresse im Karl-Liebknecht-Haus der PDS. Die PDS warf der CDU im Gegenzug die Vorbereitung eines Lagerwahlkampfes vor. „Mit dieser Posse soll die SPD eingeschüchtert und in der großen Koalition gehalten werden“, sagte die Abgeordnete Marion Seelig. Beistand erhielt die PDS auch von Hans-Georg Lorenz (SPD). Die PDS sei eine „eher konservative bürgerliche Partei“, in der DDR-Staatspartei sei „alles Urwüchsige und Chaotische unerwünscht“ gewesen. „Die PDS möchte nicht, dass der Staat untergeht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen