: Antiquierte Krieger, einsame Wölfe
betr.: „Böhse rechte Onkelz“, taz vom 16. 5. 01
In ihrem Bemühen, sich selbst als politisch unbelastet reinzuwaschen, werde ich von den Böhsen Onkelz gern als Kronzeuge für die angebliche Wandlung der Band angeführt. Als damaliger Chefredakteur der Hardrock- und Heavy-Metal-Zeitschrift Metal Hammer hatte ich ein Interview mit der Band geführt, das in der Ausgabe 1/88 abgedruckt wurde und in dem ich das Fazit gezogen hatte: „Den Vorwurf, die Böhsen Onkelz seien eine Neonazi Band, nehme ich an dieser Stelle ausdrücklich zurück.“
Ich halte die Onkelz auch heute nicht für eine Neonazi-Band. Die Böhsen Onkelz stehen für keine spezifische politische Ideologie, zumindest habe ich sie nie eine vertreten hören. Aber ... ich halte die Gruppe sehr wohl für eine faschistoide Band. Die Onkelz huldigen antiquierten Kriegeridealen, stellen sich selbst als einsame Wölfe dar, die streiten, ohne jemals einen Grund dafür anzuführen. Ihre Sprache ist trügerisch simpel und gerade deshalb verführerisch, ihr Weltbild eindeutig paranoid und faschistoid. Gerade weil sie nicht politisch agitieren, sondern an dumpfe Gefühlslagen appellieren, halte ich die Onkelz mittlerweile angesichts ihrer Verkaufszahlen auch für sehr gefährlich.
Ihr Einsatz bei Rock-gegen-Rechts-Veranstaltungen ist auf eine verquere Art logisch: Hätte die Band es zugelassen, dass die radikale politische Rechte sie tatsächlich für sich vereinnahmt, wäre sie sich selbst und ihren größtenteils völlig unpolitischen Fans gegenüber unglaubwürdig geworden. Die Böhsen Onkelz wären dann nur noch ein ganz gewöhnliches Sprachrohr der Rechten.
Die Onkelz haben es perfekt verstanden, Kontroversen über sich selbst zu schüren und dabei alle propagandistischen Register zu ziehen. Goebbels hätte seine reine Freude an ihnen gehabt. Zu dieser Strategie gehört es natürlich auch, gerichtlich gegen unliebsame Medien vorzugehen, das festigt den Stellenwert der Band unter ihren Fans und sorgt für noch höhere Plattenverkäufe.
In einer Hinsicht bereue ich das damalige Interview schon: Der Metal Hammer war das erste „große“ Musikmagazin, das den Onkelz gerade wegen ihres Images eine Beachtung schenkte, die sie von ihrer Musik her nie verdient gehabt hätte. Leider haben wir damit einen Türspalt geöffnet, in den die Band sofort alle Füße steckte. Sie hat sie nie wieder herausgezogen und das Spiel mit ihrem Image und mit den Medien mittlerweile so sehr perfektioniert, dass man fast schon von einem Marketing-Masterplan sprechen muss. Heute wäre mir lieber, wir hätten die Band damals einfach totgeschwiegen. EDGAR KLÜSENER, Manchester
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