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Keine Ausländer und günstige Gebäude

Rechte planen in Mecklenburg-Vorpommern offenbar Schulungszentrum. Verfassungsschutz: Keine Handhabe

HAMBURG taz ■ „Am Wochenende kommen die jungen Leute regelmäßig“, berichtet ein Anwohner aus Amholz, „aber die sind ganz nett.“ Auch am vergangenen Sonntag erhielten die Neonazi-Führer Thomas Wulff und Michael Grewe auf ihrem Gutshof in der kleinen Ansiedlung nahe Boizenburg Besuch von ihren Kameraden aus dem Netzwerk der „Freien Nationalisten“.

Im Frühjahr hatten die beiden Neonazis aus Hamburg und Lüneburg das Herrenhaus in Mecklenburg-Vorpommern von der Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft Schwerin für 300.000 Mark erworben. Das bundeseigene Unternehmen überließ den Neonazis das günstige Anwesen ohne Bedenken, sagt Sprecherin Elke Schicktanz. Auch der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern war unbesorgt. Doch nun räumt Hartmut Bosch, Staatssekretär im Landesinnenministerium, gegenüber dem heute Abend ausgestrahlten ZDF-Magazin „Frontal 21“ ein: „Wir befürchten, dass ein Schulungszentrum entstehen könnte.“ Eine rechtliche Grundlage, um dagegen vorzugehen, hätten sie nicht.

Nur der niedersächische Verfassungsschutz war gleich besorgt. „Es ziehen immer mehr Personen aus der rechten Szene in die Gegend“, weiß Sprecher Rüdiger Hesse und erklärt, warum den Neonazis die Region zwischen Boizenburg, Ludwigslust und Hagenow gefällt: „Keine Ausländer, keine Antifa, und die Gebäude sind recht billig.“

Nachdem das niedersächsische Innenministerium 1998 das Neonazi-Zentrum „Hetendorf Nr. 13“ beschlagnahmt hatte, waren die Rechtsextremisten um Christian Worch und Wulff auf der Suche nach einem neuen Schulungszentrum. „Wann Amholz von der Technik her einsetzbar ist“, betont der Hamburger Neonazi-Chef Worch, „kann ich nicht beurteilen.“ Neben der Schulung des Nachwuchses möchte er demnächst auch Konzerte anbieten. Mittlerweile entwickelt sich in der Region eine Nazi-Kameradschaft. „Im November wollten die ,Freien Deutschen in Gründung‘ in Hagenow marschieren“, berichtet PDS-Stadtfraktionsvorsitzende Gabi Schulz. Sie legten aber nur einen Kranz zur „Ehrung der Helden“ am Hagenower Kriegerdenkmal nieder. „Die Amholzer“, sagt Schulz, „unterstützten die 15 Personen umfassende Kameradschaft, die in Boizenburg und Ludwigslust Veranstaltungen durchführten.“ Die neuen Nachbarn machen manchem Amholzer Angst. „Ich möchte lieber nichts sagen“, wehrt eine Person Fragen ab und geht schnell ins Haus. ANDREAS SPEIT

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