Im Auftrag ewiger Jugend

■ Der Baustoff-Experte und Mikrobiologe Thomas Warscheid reist um die ganze Welt, um Kulturdenkmäler zu erhalten – wenn er nicht gerade über toxische Pilze referiert

Angefangen hat alles mit Steinmehl. „Die organisch düngenden Biodynamiker haben Basaltmehl auf ihre Äcker gestreut und mir gesagt: ,Wir wissen nicht was es macht, aber die Pflanzen wachsen so besser'“, erzählt Thomas Warscheid, Mikrobiologe an der Bremer Materialprüfungsanstalt. Über eben jene Vorzüge des Basaltmehls hat er dann seine Diplomarbeit geschrieben und „eine schlechte Note bekommen, weil mein Professor die Idee für spinnert hielt“.

Bei Steinen und Baustoffen aller Art ist er trotzdem hängen geblieben. Heute ist Thomas Warscheid Leiter der Abteilung IV, Mikrobiologie bei der Amtlichen Materialprüfungsanstalt der Freien Hansestadt Bremen. Er hat sich auf Baustoffe und deren biologische Verträglichkeit spezialisiert und war bereits vor seinem Job in Bremen an der Oldenburger Uni mit Denkmal-Projekten beschäftigt. Das Institut ist sowohl dem Bildungs- als auch dem Bausenator unterstellt, finanziert sich aber aus Forschungsprojekten und Aufträgen.

Was sich auf den ersten Blick nicht sonderlich spannend anhört, führt den Wissenschaftler in beinahe jede Region dieser Welt. Er und seine Mitarbeiter sind nicht nur gefragt, wenn ein Reihenhaus in Delmenhorst von Schimmelpilz befallen ist. Sie sind auch von Brasilien bis Kambodscha unterwegs, wenn es darum geht, Denkmäler zu erhalten und zu restaurieren. Da fühle man sich teilweise „wie Indiana Jones“, wenn man solche Denkmäler fit für die Ewigkeit mache.

„Unser erster Auslandsauftrag kam aus Tours“, erinnert sich Warscheid, „dort hatte ein Pilz die Fens-ter einer Kirche zerfressen“. Die Zusammmenarbeit habe gut geklappt, obwohl „die Franzosen sich ja nicht so gerne reinreden lassen“. Das absolute Highlight sei aber die „Terracotta-Armee“ in China gewesen. Die 2500 Jahre alten Figuren werden gerade freigelegt, dabei trocknet der Anstrich der Figuren und blättert ab. Der Bremer Baustoff-Experte sollte klären, wie diesem Dilemma beizukommen sei. „Da in die Grube zu steigen und den mannshohen Figuren in die Gesichter zu sehen, ist wirklich ergreifend“, erzählt er.

Wer Thomas Warscheid zuhört, wird von seiner Begeisterung für solche Dinge wie Starybotris atra (ein toxischer Pilz, der gerade bei Kindern gefährliches Asthma auslösen kann) oder Aspergillus fumigatus infiziert, dem berüchtigten „Fluch der Pharaonen“, der für die Tode von Pyramidenforschern verantwortlich zu sein scheint.

Neben der beratenden Tätigkeit rund um den Globus reist Warscheid auch durch die Republik, um Vorträge über Pilze und Co. zu halten und befallene Gebäude zu begutachten. Natürlich gebe es oft Befall, den man behandeln müsse. Gerade in letzter Zeit seien ihm aber auch Fälle untergekommen, in denen man die Hysterie bremsen müsse. „Nur weil eine weiße Fassade anfängt, sich schwarz zu verfärben, muss das noch lange nicht lebensbedrohlich sein“, beruhigt der Baustoff-Experte.

Grundsätzlich kann sich jeder mit solchen Problemen an die Prüfungsanstalt wenden. Die Mikrobiologen sammeln Anfragen und besuchen dann an einem Tag drei oder vier „Patienten“. „Hinterher schreiben wir dann Empfehlungen, was die Bewohner tun können“. Das kostet dann knapp 500 Mark.

Nur einer ist nicht glücklich über den wachsenden Bekanntheitsgrad der Abteilung IV: „Na ja, mein Chef sähe das schon ganz gern, wenn ich öfter am Schreibtisch sitzen würde“, räumt Thomas Warscheid ein. Aber reisen bedeutet Aufträge und Aufträge bedeuten Geld für die Anstalt.

Und dann kommt er noch auf ein anderes Anliegen: „Ich werbe für einen Studiengang für mikrobiologische Materialforschung hier an der Uni“. Er stelle immer wieder fest, dass es einen bundesweiten Bedarf gebe, aber nicht entsprechend reagiert werde. „Wir brauchen mehr Akzeptanz und das kriegen wir eben nur mit so 'nem Titel“, so der Mikrobiologe.

Und wenn sich da nichts tut? „Es gibt ein starkes Interesse aus der Wirtschaft“, verrät der Bremer Baustoff-Experte, „obwohl ich nicht unbedingt die Nähe der Industrie suche, aber ich hab' mich noch nie einzwängen lassen“.

Julia Kammigan