piwik no script img

Fußballspiel um Krabben

Grönland will Ende Juni in Vanlöse mit Tibet gegen den Ball treten, was wiederum China gar nicht gefällt. Nun bedroht der Fußball den dänischen Außenhandel und die Olympiahoffnungen Pekings

aus Kopenhagen REINHARD WOLFF

CNN hat sich schon mal Plätze für die besten Kamerapositionen gesichert. Und auch andere internationale Medien werden in Vanlöse zu einem Fußballspiel erwartet, das allenfalls Kreisliganiveau verspricht und bei dem es noch nicht einmal um drei Punkte geht oder die Ehre eines Kopenhagener Vorortklubs. Und schon gar nicht um ein paar Kästen Siegerbier von Carlsberg – sondern um Politik. Am 30. Juni soll es auf dem Sportplatz von Vanlöse ein Match der besonderen Art geben: ein Match zwischen Grönland und Tibet.

Beide Teams sind bislang nicht durch besonderes Ballkönnen aufgefallen. Das „Länderspiel“ ist eigentlich auch kein richtiges, da weder Grönland noch Tibet Fifa-Mitglieder sind. Es ist die Aufregung, welche die angekündigte Begegnung auf dem grünen Dänenrasen im fernen Peking ausgelöst hat, die da 90 Spielminuten zu einer politischen Frage, einer Bedrohung dänischer Handelsbeziehungen, einem womöglich entscheidenden Puzzleteil für das Schicksal von Pekings Olympiakandidatur, kurz: zu einem veritablen Medienereignis gemacht haben. CNN ist also am rechten Ort.

Grönlands Mannschaft wird von dem Ex-Werderaner Sepp Piontek trainiert. Die Idee für das Länderspiel kommt von Michael Nybrandt, einem Mann, der im Auftrag des dänischen Fußballverbandes DBU in Bosnien Fußballschulen aufbaute und jetzt eine Mannschaft von Tibetanern in Form zu bringen versucht. Es sind genauer gesagt Exil-Tibetaner, vorwiegend aus Nepal und Indien. Und Nybrandt sieht seinen Trainerjob durchaus politisch: „China hat Tibet mit Beton, Kasernen und Terror zerbrochen. Darum ist es den Tibetanern unmöglich gemacht worden, Fußball zu spielen. Doch Sport ist ein wichtiger kultureller Faktor zur Bewahrung des Nationalbewusstseins.“

Das sieht man in Peking offenbar ähnlich. Man protestierte nämlich gleich auf das Heftigste. Beim dänischen Außenministerium, dem DBU und bei der grönländischen Selbstverwaltung. Mit der Einstellung des grönländischen Krabbenexports nach China wurde gedroht, mit einer Belastung der außenpolitischen Beziehungen und Problemen für den sportlichen Austausch. „Tibet ist ein Teil Chinas, das haben 160 Länder anerkannt, auch Dänemark“, schmollt ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Kopenhagen: „Es kann deshalb keine tibetanische Fußballmannschaft geben.“ Die Veranstaltung sei kein sportlicher Wettbewerb, sondern eine politische Provokation. Doch das Außenministerium in Kopenhagen will sich nicht in eine „private Veranstaltung“ einmischen, und die DBU verweist darauf, dass Grönland nicht Fifa-Mitglied ist und einem daher die Hände gebunden seien.

Bleiben die Krabben und die Exporterlöse. Und um die ist in Grönland nun tatsächlich ein Streit zwischen Politik und Sport entbrannt. Vor einem Jahr erst gelang es nach zähen Verhandlungen, durch eine Zollsenkung mit den Grönlandkrabben den chinesischen Markt zu erobern. Und den will man sich nicht wieder schließen lassen, immerhin geht es um rund 65 Millionen Mark – und damit um einen gewaltigen Anteil in der angespannten Handelsbilanz des Landes. Peder Munk Pedersen, Sprecher der Fischer: „Wir wollen uns wegen eines politischen Schauspiels nicht unser Einkommen wegnehmen lassen. In Kanada wartet man schon händereibend darauf, unseren Chinaexportmarkt übernehmen zu können.“ Und hinter den Kulissen versucht auch die politische Selbstverwaltung bereits vor dem Losbrechen der Medienaufmerksamkeit Sepp Piontek und seine Kicker zu stoppen.

Im Moment scheint in Grönlands Hauptstadt Nuuk aber erst einmal das Motto Abwarten ausgegeben worden zu sein. Man zählt darauf, dass Peking noch rechtzeitig bewusst wird, welches gewaltige Eigentor die jetzigen Proteste und Einschüchterungsversuche werden könnten, vor allem was die bislang noch recht erfolgreich anmutende Bewerbung als Austragungsort für die Olympischen Sommerspiele 2008 angeht. „Die werden klein beigeben“, ist Michael Nybrandt überzeugt. Sei es doch neben der Menschenrechtsproblematik vor allem die Tibetfrage, welche Pekings Chancen im IOC noch torpedieren könne.

Der grönländische Verband genießt deutlich die plötzliche Aufmerksamkeit für den einheimischen Fußball. Und versetzt der mächtigen Fifa einen Tritt vors Schienbein, auch wenn das dem eigenen dort schon seit längerer Zeit vorliegenden Mitgliedschaftsantrag vermutlich nicht gut tun wird. „Natürlich ist die Auswahl des Gegners eine Form von Politik. Wir würden so ein Spiel nie gegen einen Diktaturstaat veranstalten, der daraus Propagandanutzen ziehen könnte“, erklärt Verbandssekretär Jens Brinch: „Die Fifa hat kein Recht sich einzumischen und bestimmen zu wollen, gegen wen wir spielen und gegen wen nicht.“

Schon einmal dabei, aufmüpfig zu sein, hat Grönlands Elf für den 3. Juli ein weiteres kontroverses Spiel auf dem Programm, das der Fifa überhaupt nicht ins Konzept passt: gegen eine Auswahl der nordskandinavischen Sami, schwedische, norwegische und finnische Lappen. Zeichnen sich da etwa Umrisse einer „Alternativ-Fifa“ aus Teams nationaler Minoritäten und Exilmannschaften ab? Vermutlich eher nicht, wie sich aus einer Stellungnahme von Sepp Piontek vermuten lässt: „Die Fifa braucht uns nur endlich als Mitglied zu akzeptieren. Dann müssten wir der Tibetmannschaft bedauernd mitteilen, dass wir das Match doch nicht spielen können.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen