Freie Fahrt für Raser

CDU-Wahlplakat suggeriert, Kleinkinder hätten am meisten Spaß im Verkehr  ■ Von Kaija Kutter

Das Erkennen von Kausalzusammenhängen ist nicht jedermanns Sache. „Wo Autofahren noch Spaß macht“, titelt die Hamburger CDU auf ihren Wahlkampfplakaten und zeigt ein Kleinkind auf rotem Plastikauto. Ein Kind auf einem Bobby-Car könne noch Spaß haben, „es steht nicht im Stau“, erläutert CDU-Pressereferent Michael Ohm den Sinn. Erwachsene hingegen merkten sehr schnell „dass wir eine katastrophale Verkehrsituation in Hamburg haben“.

„Wir haben bewusst kein Kind gewählt, das auf dem Bürgersteig fährt“, sagt CDU-Verkehrspolitiker Bernd Reinert. Der blonde Junge fahre in der Sandkiste. Ist so aber gar nicht zu sehen auf dem Plakat, an dem zur Zeit in Barmbek die Autos vorbeidüsen. Auch bliebe ein Bobby-Car im Sand stecken, dies macht nur auf festen Wegen richtig Laune.

Müttern und Vätern von Kleinkindern, die das Plakat sehen, dürfte vor Wut die Hutschnur hochgehen. Sind es doch gerade die Autos – parkend und fahrend – die verhindern, dass Vorschulkinder sich überhaupt im öffentlichen Raum bewegen können - mit katastrophalen Folgen für die motorische Entwicklung. Auch ist es pädagogisch für die Eltern nicht unbedingt befriedigend, die Kinder ständig mit „Achtung! Aufpassen! Stehenbleiben“-Rufen anbellen zu müssen.

Auf 230.000 Kinder im Alter unter 15 Jahren kommen 800.000 angemeldete Autos. 40 Prozent der Außenfläche von herkömmlichen Wohnsiedlungen gehen für Parkplätze und Zufahrten drauf, normale Straßen nicht mitgezählt. Die Nachverdichtung, der Ausbau von Dachböden und die Errichtung von Staffelgeschossen hat die Autozahl nochmal erhöht. Nicht mal Rollerfahren ist möglich auf Fußwegen. Schrammt ein Kind mit dem Lenker in den empfindlichen Lack eines parkenden PKW, müssen die Eltern den Schaden zahlen. Die Folge: Eltern meckern oder verbieten den Kindern den Spaß. Freie Bewegung ist Kindern nur auf abgesperrten Plätzen möglich. Die Stadtentwicklungsbehörde spricht von einer „Verinselung“ von Kinderorten. Dies würde sich bei einer Beschleunigung des Durchgangsverkehrs – wie von der CDU gefordert – noch verstärken. Denn wenn Autofahren wieder Spaß macht, fahren auch mehr.

„Ich halte es für geschmacklos, mit spielenden Kindern für ,freie Fahrt für freie Bürger' zu werben“, sagt Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL). Komme es doch imnmer wieder zu Situationen, wo „gerade kleine Kinder Opfer des Straßenverkehrs werden“. Erst am Dienstag war ein 10-jähriger Junge in Jenfeld von einem LKW überfahren worden. Normalerweise, so Maier, werde an Autofahrer gerade die Gegenwarnung erteilt: „Achtung, spielende Kinder.“

Einen Konflikt zwischen Kindern und Autos „sehe ich schon“, räumt Bernd Reinert ein: „wie zwischen sehr vielen Nutzeransprüchen in einer Großstadt“. Auch die CDU sei ja für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs. Die, die Auto fahren, täten dies aber nicht „aus Spaß und Vergnügen“, sondern weil sie müssten. Und der ungünstigen Kinder-Auto-Relation könne man ja auch „ebenso platt mit der Forderung nach mehr Kindern begegnen“.

Eine Großstadt könne man zwar „kinderfreundlicher“ gestalten, aber niemals „kindgerecht“, ist die CDU-Argumentation. Reinert: „Ich halte es nicht für möglich, dass ein Kind auf jeder Straße spielen kann, ohne dass die Eltern sich Sorgen machen müssen.“

Warum eigentlich nicht? Die Fische schwimmen doch auch wieder in der Elbe.