: Die nachgeholte Freiheit
In Spanien wurde die Pille erst 1978, drei Jahre nach dem Tod von DiktatorFrancisco Franco, zugelassen. Heute hat das Land die niedrigste Geburtenrate weltweit
BERLIN taz ■ „1000 Frauen kahl wegen der Pille!“, titelte die Tageszeitung ABC. Doch die Panikmache des militant katholischen Blattes nutzte nicht mehr viel. 1975 war der Diktator Francisco Franco gestorben und mit ihm sein verknöchertes Regime. Als 1978 in Spanien die Antibabypille legalisiert wurde, griffen bereits eine Million Spanierinnen darauf zurück, obwohl auf den illegalen Gebrauch bis dahin zwölf Jahre Gefängnis standen.
Das Ende des Franquismus brach die Geschlechterrollen auf. Innerhalb weniger Jahre holten die Spanierinnen das an Freiheit nach, was die Frauenbewegung in Westeuropa seit 1968 erobert hatte. Junge, unverheiratete Frauen zogen von zu Hause aus, begannen – vor allem in Madrid und Barcelona – mit Männern zusammenzuleben, es wurde wild mit Beziehungen herumexperimentiert. Vor allem in den Siebzigerjahren waren das jedoch Höhenflüge ohne Netz: Wenn sie ungewollt schwanger wurden, mussten die Frauen – im besseren Fall – zum Abtreiben nach England fahren, oder sie gingen zur Engelmacherin. Gesellschaftlich zahlten sie weiterhin einen hohen Preis, wenn sie aus ihren Ehen ausbrachen. Nach der Freigabe der Pille war deshalb das Gesetz, das 1985 ein begrenztes Recht auf Abtreibung einräumte, ein wichtiger Schritt für Frauen. Und für viele war das Recht auf Scheidung, das 1981 verabschiedet wurde, eine weitere große Befreiung.
Die spanische Frauenbewegung, die Ende der Siebzigerjahre militant und offensiv auftrat, hat auch dort an Stärke und Überzeugungskraft verloren. Vieles muss nicht mehr erkämpft werden, und im Übrigen sind die wilden Zeiten auch dort vorbei.
Doch die rasanten Veränderungen der letzten zwanzig Jahre lassen sich an einer Zahl ablesen: Spanien ist heute das Land mit der niedrigsten Geburtenrate der ganzen Welt. ANT
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