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Die roten Schuhe

Marilyn im Western: Leichtes Mädchen, großes Herz

Es gibt ihn nicht, den Monroe-Film, auch wenn Arthur Miller in „The Misfits“ offenbar viele ihrer Sehnsüchte und Gedanken ins Drehbuch geschrieben hat. Marilyn ist Norma Jean plus die Summe ihrer Filme. Trotzdem fand ich immer, dass Otto Premingers „River of No Return“ ihr schönster ist, nicht nur weil sie in ihren knallengen Jeans so aussieht wie ein Mädchen, mit dem man Beeren pflücken, Rehe jagen und am Lagerfeuer sitzen kann. „River of No Return“ erzählt, so wie man es sich kurioserweise bei all ihren Filmen einbilden kann, auch ein bisschen Marilyns eigene Geschichte. Die des unglücklichen, aber auch pragmatischen Saloongirls, das von den Kerlen (einsamen Goldgräbern und Cowboys) mit Blicken aufgefressen wird und immer an die Falschen gerät. Bis ihr Robert Mitchum, der aufrechte Farmer, mit seinem kleinen Sohn über den Weg läuft.

Auf der gefählichen Floßfahrt durch Stromschnellen und Indianerangriffe zeigt das leichte Mädchen, dass es ein großes, schweres Herz hat. Der Einzige, der in diesem Film mal wieder seine Titten zeigt, ist Robert Mitchum. Es gibt sogar einen Moment, in dem er aus seiner minimalistischen Lethargie erwacht. Nie wieder hat er sich auf der Leinwand so schnell bewegt wie in der Szene, in der er in einer Höhle die Beine der durchnässten Marilyn abrubbeln darf – während sie nackt unter einer Pferdedecke schauert.

Spitzfindig könnte man „River of No Return“ auch als eine zweistündige Aneinanderreihung filmischer Vorwände dafür sehen, Marilyns strahlend weißes Spitzenunterhemdchen sukzessive zu reduzieren. Erst wird ein Stückchen Stoff als Verband abgerissen, ein weiterer Fetzen bleibt im Wald zurück. Schließlich reißt noch ein Indianer im Nahkampf den halben Ärmel ab.

Am Ende, wenn das Saloonmädchen mit Mitchum in die Wildnis zurückkehrt, wirft sie in hohem Bogen und mit Schmackes ihre roten Stöckelschuhe hinter sich. Und natürlich habe ich mir immer vorgestellt, dass sie selbst das am liebsten auch getan hätte. KATJA NICODEMUS

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