: Eine Gourmettour
Gute Landluft, anspuchsvolles Essen: Brandenburg bietet Natur pur, aber auch eine ausgezeichnete Küche für verwöhnte Gaumen
von GUNDA SCHWANTJE
Nach dem allerersten Löffel meldet der Geschmackssinn: Dieses Dessert hat ein Künstler kreiert. Auf der Zunge zerfließt die Komposition aus Quarkmousse, Minze und Sanddornsoße. Auch dem Auge gefällt, was es auf dem Teller erblickt: Da badet ein flockig weißes Etwas in Orangerot mit grünen Tupfen aus Minzblättern. Obenauf noch die Frucht einer Wildrose in Lachsrosa. Das Dessert erzählt von der Lebensart in diesem Haus: dem kreativen Umgang mit dem, was mensch vorfindet. Ob das nun die Nahrungsmittel der Region sind oder die denkmalgeschützte Ruine einer Wassermühle aus dem Jahre 1680, die seit 1997 ein neues Innenleben hat: Gästezimmer und ein Restaurant. Kaisermühle heißt das Hotel. Es liegt in Brandenburg am äußersten Zipfel des Spreewalds in Müllrose.
„Etwas Schönes schaffen“, sagt Peter Mikeska, „das war unsere Vision.“ Der gelernte Töpfer aus Frankfurt (Oder) ist 1985 samt Töpferscheibe und Brennofen in das einzige noch brauchbare Nebengebäude der Mühle eingezogen. Zurückgezogen im Wald, so wollte er arbeiten. An diesem stillen Ort. „Mit meiner Frau und einem Freund habe ich in der Werkstatt gesessen und Ideen gesponnen, was wir aus der Ruine machen könnten“, erinnert sichder 37-Jährige. Die Wende gab den entscheidenden Impuls: Tourismus.
Seit 1989 ist Brandenburg mit seinen über 3.000 Seen, 33.000 Kilometern Fließgewässern und einer waldreichen, relativ unverbrauchten Landschaft frisch und viel versprechend positioniert auf der touristischen Landkarte. Und mittendrin die Metropole Berlin. Gut essen und in fantasievollen Räumen nächtigen im Hotel Kaisermühle – dieses Projekt gefiel dem Trio. Es machte sich an die Arbeit, besorgte Fördermittel aus der Denkmalpflege und einen Kredit.
„Kaisersuite“, „Mondkammer“ „Sternenkammer“, „Sonnenlade“ steht auf den Türschildern des restaurierten Fachwerkhauses. Keins der 14 Zimmer gleicht dem anderen, jedes hat einen eigenen Charakter. Azurblau gestrichen ist zum Beispiel das Wassergemach. An der Zimmerdecke sind Teile eines alten Wasserrads befestigt – mit einer Lichtquelle bestückt eine wunderschöne Lampe. Wer rücklings auf dem Doppelbett liegt, kann an der Decke die Wellenbewegungen betrachten, die ein Stein macht, wenn er ins Wasser plumpst.
Peter Mikeska pendelt nun zwischen zwei Arbeitsplätzen – wenn er nicht in der Werkstatt töpfert, führt er die Hotelgeschäfte. „Ausgehen und lecker essen hat in Brandenburg keine Tradition“, berichtet er. Brandenburger wollen üppig essen für wenig Geld. „Wir machen etwas anderes. Eine interessante, leckere Küche.“ In der Tat: beispielsweise gebeizten Hirschbraten mit Quitten-Pflaumen-Mus, glacierten Teltower Rübchen und Mohnspätzle. „Die Zutaten werden frisch verarbeitet, wir kochen ernährungsbewusst und bevorzugen regionale Produkte“, so Peter Mikeska. Auf die Rindfleischkrise und die Maul- und Klauenseuche haben die Köche der Kaisermühle mit neuen Gerichten reagiert: Pferdefilet, Pute und Elchbraten stehen nun auf dem Speiseplan. Gemüse, Fisch und Wild kommen, soweit möglich, direkt von kleinen Herstellern aus der Umgebung. Und die Gäste? Die sind größtenteils aus Berlin.
Wer nach Müllrose kommt, findet eine wasserreiche Landschaft vor zum Spazieren, Radfahren, Paddeln, oder er kann sich im Schlaubetal auslaufen und die Seele baumeln lassen. Gemächlich fließt die Schlaube in diesem Urstromtal, ufert immer wieder aus zu kleinen Seen; ein ständiger Landschaftswechsel gibt dem Naturpark seinen Reiz. Von dem Bach, der einst die Kaisermühle antrieb, ist nichts übrig geblieben. Statt des Wassers hört man jetzt nur noch den Wind in den Bäumen rauschen.
Das Wasserrad des Hotels Stobbermühle hält der Fluss Stobber in Schwung. In der Stobbermühle in Buckow in der Märkischen Schweiz schmeichelt Frank Güldenpfennig, 44, seit 1996 den Gaumen seiner Gäste. „Ich koche, weil ich zu nichts anderem nutze bin“, sagt er. Auf die Abendkarte setzt der Küchenchef Seeteufel, Hummer, Reh als Hauptgerichte und als Vorspeise beispielsweise Wachtelbrust und -keule auf Zucchinigemüse und Kartoffel-Knoblauch-Scheiben – sehr zu empfehlen. „Essen gehen kann ein Erlebnis sein“, weiß der gebürtige Magdeburger, und es freut ihn, nach anfänglichen Ressentiments die Bäuche der Buckower erobert zu haben. Man schätzt seine Küche.
Früher hat Frank Güldenpfennig im Hilton und im Dom-Hotel in Berlin Menüs gezaubert und auch in der Stobbermühle werden die fein bereiteten Speisen überwiegend einem Publikum serviert, das aus Berlin angereist ist. Aus wirtschaftlichen Gründen arbeitet die Stobbermühle mit zwei Karten. Eine mit deftigen, schnellen Gerichten, denn das sind die Brandenburger gewohnt und das wollen Touristen, die unter Zeitdruck unterwegs sind. Außerdem gibt es eine Abendkarte mit exquisiten Speisen. Man muss flexibel sein, so die Maxime von Frank Güldenpfennig und, natürlich: Essen ist auch eine Frage des Budgets. Viele können oder wollen kein Geld für eine anspruchsvolle Küche ausgeben.
Die Zutaten besorgt Frank Güldenpfenning, soweit das geht, bei Jägern, Gemüsebauern und Fischern der Umgebung. „Wenn ich in der Pilzsaison Pfifferlinge oder Steinpilze will“, erzählt er, „dann rufe ich Pilz-Peter an und drei Stunden später bringt er einen Korb voll ins Haus.“ Einen weiten Weg hinter sich hat allerdings Rinderfilet. Es wird seit der BSE-Krise aus Argentinien bezogen.
Eine besondere Dienstleistung bietet das Hotel Stobbermühle Liebespaaren an. Wer den Bund fürs Leben schließen will, kann sich mit der/dem Geliebten in die Hochzeitssuite mit Himmelbett und Whirlpool einquartieren, Gäste mitbringen, sich im hauseigenen Standesamt trauen lassen und feiern.
Gut aufgehoben in Buckow sind vor allem Reisende und Kurgäste, die das Leise mögen und die es unwichtig finden oder gar schön, dass noch nicht jede Fassade glatt ist und frisch verputzt. Der Kurort mit den 1.500 Einwohnern liegt am Schermützelsee, 35 Kilometer entfernt von der Stadtgrenze Berlins. „In Buckow geht die Lunge auf Samt“ – mit diesen blumigen Worten hatte schon der Leibarzt Friedrich Wilhelms IV. Seiner Majestät geraten, Buckow regelmäßig aufzusuchen.
Seit den Zwanzigerjahren ist Buckow ein beliebter Badeort und gern anvisiertes Ziel der Hauptstädter. Am besten erkundet der Besucher die in eine Endmoränenlandschaft aus Seen, Hügeln und kleinen Schluchten eingebettete und mit ausgedehnten Wäldern überzogene Gegend zu Fuß auf dem weiten Netz von Wanderwegen. Wer Glück hat, beobachtet vielleicht einen Fischotter in den Auenwäldern des Stobbertals. Und abends könnte man sich niederlassen bei Frank Güldenpfennig und ein feines Essen genießen.
Hotel Kaisermühle, Forststraße 13, 15299 Müllrose. Telefon (03 36 06) 8 80. Doppelzimmer ab 140 Mark, Hauptgericht ab 25 MarkHotel Stobbermühle, Wriezener Straße 2, 15377 Buckow. Telefon (03 34 33) 6 68 33. Doppelzimmer ab 100 Mark, Hauptgericht ab 25 Mark
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