: Frieden in der Gerüchteküche
Die Tageszeitungen von Gruner + Jahr sind unverkäuflich. Doch Zwischentöne aus Hamburg verwässern das Bild. Dafür ist der Berliner Zeitungskrieg aus. Er war zu teuer
BERLIN taz ■ „Was in der Berliner Zeitung steht, gilt“, hieß es gestern bei Bertelsmann: Die Tageszeitungen der Konzerntochter Gruner + Jahr stehen nicht zum Verkauf. Für Ruhe im seit Jahren immer mal wieder von Verkaufsabsichten aufgeschreckten Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Kurier) sorgt dieses Dementi von G+J-Chef Bernd Kundrun allerdings nicht.
Denn in den letzten Wochen brodelt die Gerüchteküche stärker als zuvor – schließlich heißt einer der Protagonisten Erich Schumann. Der Geschäftsführer der Zeitungsgruppe WAZ, deren Interesse an Teilen der G+J-Blätter seit langem bekannt ist, bringt sich häufig offensiv ins Gespräch. „No comment“, sagte er kürzlich zu von Bertelsmann ebenfalls energisch dementierten Verhandlungen mit der WAZ. Das Problem für den Gütersloher Konzern: Meistens ist bei Schumann etwas dran. Und verhandelt wird durchaus: Bisher allerdings über den 7,4-Prozent-Anteil der WAZ-Gruppe an der gemeinsamen TV-Holding RTL-Group, den Bertelsmann offenbar übernehmen möchte.
Und auch wenn Kundrun im eigenen Blatt die neuesten Verkaufsszenarien des Spiegel dementierte: Im gleichen Interview findet sich auch die Bestätigung, dass sehr wohl mit dem Berliner Erzrivalen Holtzbrinck (Tagesspiegel) verhandelt wurde. Nicht über einen Verkauf, aber über Kooperationen im „schwierigen Berliner Markt“.
„Leicht verwundert“ war man ob dieses Zusammentreffens dann schon, heißt es in der Redaktion der Berliner Zeitung – schließlich werde so das Kundrun-Dementi verwässert.
Konkrete Ergebnisse brachten die Gespräche nicht: Im Hauptstadt-Vertrieb wird teilweise schon zusammengearbeitet, man habe jetzt nach weiteren Synergien gesucht, sagt Berliner-Verlag-Geschäftsführer Torsten-Jörn Klein. Klar sei dabei: „Die Redaktionen müssen unabhängig bleiben“, ansonsten bleibt Klein beim strikten Sparkurs. Denn in diesem Jahr soll die Berliner Zeitung keinen Verlust schreiben, „trotz der schwierigen Situation auf dem Anzeigenmarkt“, sagt Klein. Und: „Das große Geld ist hier in Berlin nicht zu verdienen.“ Man müsse vielmehr überlegen, was der Wettbewerb der Hauptstadtblätter im Laufe der Jahre wirklich gebracht habe. „Alle haben viel Geld ausgegeben“, doch ihre ursprünglichen Ziele in Sachen Marktführerschaft hätten weder Berliner Zeitung noch Tagesspiegel erreicht: Zwar verkaufe sein Blatt mit nach eigenen Angaben rund 50.000 Exemplaren im Westteil der Stadt mehr Zeitungen als Tagesspiegel und Springers Berliner Morgenpost in den Ostbezirken zusammen, doch „es gibt eigentlich keine Gewinner“, so Klein.
Ob noch weitere Gespräche zwischen seinem Verlag bzw. G+J und Holtzbrinck geführt werden, ist unklar. Der viel besungene Berliner Zeitungskrieg scheint aber zu Ende zu sein.
STEFFEN GRIMBERG
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