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: Galgenhumor

■ Die verworrene Situation seines Heimatlandes spiegelt sich in seinen Filmen wider: Der israelische Regisseur Avi Mograbi erzählt von den Spannungen zwischen seinen Landsleuten und den Palästinensern, greift politische Mißstände an und porträtiert - wie in „Wie ich gelernt habe, meine Angst zu überwinden und Arik Sharon zu lieben“ (1997) - nationalistische Politiker. Dabei bringt sich Mograbi stets selbst in seine inszenierten Dokumentationen ein und beschreibt die Schwierigkeit, zu den Themen und Gegenständen seiner Filme eine gewisse Distanz zu bewahren. In „Happy Birthday, Mr. Mograbi“ (1999) sitzt er vor der Kamera und berichtet: vom Stückchen Land, das er sich gekauft hat, und davon, wie im Grundbuch versehentlich 100 qm zuviel eingetragen wurden. Er erzählt vom übervorteilten Nachbarn, der eines Tages wutentbrannt die Wohnung des Regisseurs verwüstete, und beschreibt, wie durch dieses Benehmen sein eigener Wunsch nach Wiedergutmachung des Unrechts zusehends geringer wurde. Irgendwann wird es überdeutlich: Die vertrackte Geschichte ist eine Parabel auf das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. Zwei weitere Handlungsstränge treten hinzu: Ein israelischer Fernsehproduzent beauftragt den Regisseur mit einem Film über die Feiern zum 50. Jahrestag der Gründung des Staates Israel. Doch auch ein palästinensischer Produzent wünscht Mograbis Mitarbeit an einer Dokumentation über die „Nakba“, die Katastrophe - den Beginn des palästinensischen Flüchtlingsproblems. Mograbi selbst sieht sich schließlich vollkommen außerstande, die Erwartungen seiner Produzenten zu erfüllen. Die Bilder, die er von zerstörten palästinensischen Siedlungen dreht, beginnen ein Eigenleben zu führen und drängen sich zwischen die Aufnahmen von pompösen Feierlichkeiten und anbiedernden Reden des damaligen Premierministers Netanjahu. Auf sympathische Weise sind schließlich alle irgendwie ratlos, billige Lösungen des Konflikts gaukelt Mograbi niemandem vor. Vor allem aber verliert der Regisseur nie seinen Galgenhumor. Denn Mograbis Waffe ist der Sarkasmus: Bei seinen Treffen mit dem israelischen Produzenten reagiert dieser stets auf die aktuellsten Ereignisse. Einmal wünscht er sich einen heiteren Film, dann einen ernsten. Oder: einen Film für den Frieden. Am Ende sitzt er mit einer Gasmaske im Keller und will überhaupt keinen Film mehr.

“Happy Birthday, Mr. Mograbi“ 7.6., 9.6.; „Wie ich gelernt habe, meine Angst zu überwinden und Arik Sharon zu lieben“ 8.6., 10.6. im Filmkunsthaus Babylon 2

■ Bei den Filmfestspielen in Cannes konnte man gerade sein neustes Werk “Mulholland Drive“ bestaunen, im Kreuzberger Eiszeit-Kino ergibt sich nun die Gelegenheit zur Wiederbegegnung mit David Lynchs ersten abendfüllendem Spielfilm „Eraserhead“ (1977). Der Regisseur, den stets das Aufspüren des Abgründigen hinter der Fassade des Alltäglichen interessierte, wirft in seinem experimentellen Horrorfilm einen Blick auf ein ausgesprochen merkwürdiges Familienleben: Von den Eltern seiner geschwängerten Freundin zur Heirat gezwungen, wird ein junger Mann bereits nach wenigen Tagen von der Gattin verlassen, bleibt mit einem ständig schreienden Monsterbaby zurück und bekommt zunehmend surrealere Halluzinationen, in denen sein Kopf zu Radiergummi verarbeitet wird. Dabei begünstigen vor allem die kontrastreiche Schwarzweißfotografie und die besonders stark hervorgehobenen Geräusche - Wind, Regen, das Rauschen der Heizung, das Knacken der Auslaufrille einer Schallplatte - die Entstehung einer beklemmenden Alptraumwelt.

“Eraserhead“ 7.6.-13.6. im Eiszeit 1

Lars Penning