: Duma macht Weg für Atommüll frei
Das russische Unterhaus stimmt in einem Hauruck-Verfahren dem umstrittenen Gesetzentwurf zum Import von strahlendem Abfall zu. Ob Russland Atomklo wird, liegt nun bei den USA, die den Großteil des Atommülls kontrollieren
von BARBARA KERNECK
Die geschickte Regie des Präsidiums erleichterte das Resultat: Einen Tag früher als geplant setzte es der Duma in Moskau gestern die dritte und letzte Lesung des unpopulären Gesetzespakets auf die Tagesordnung, das künftig die Einfuhr atomarer Abfälle aus dem Ausland ermöglichen soll. Die Proteste der eilig aufgescheuchten Umweltschützer vor dem Parlamentsgebäude fielen entsprechend mager aus, drinnen wurde die notwendige Mehrheit knapp erreicht. 243 Duma-Abgeordnete stimmten praktisch dafür, dass Russland künftig ein Atomklo werden kann, nur 125 dagegen.
Bei Umfragen hatten sich 93,5 Prozent aller BürgerInnen Russlands gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen worden. Der inzwischen wegen Korruption zum Rücktritt gezwungene russische Atomminister Jewgeni Adamow hatte als Erster öffentlich erklärt, Russland könne innerhalb der nächsten zehn Jahre 20.000 Tonnen ausländischen Atommülls aufnehmen. Die daraus zu erhoffenden Einnahmen von 20 Milliarden Dollar sollten „zur Erhöhung der Sicherheit innerhalb der russischen Atomindustrie“ verwendet werden. Gerade daran zweifeln die russischen Umweltorganisationen. Und auch daran, dass dem Verbleib des strahlenden Mülls überhaupt zeitliche Grenzen gesetzt sind. Schon seit Anfang des Jahres zirkuliert eine Expertise der US-Energiebehörde und des Lawrence Livermore National Laboratory. Demnach sollten 7.500 Tonnen verbrauchter Brennstäbe von 8 taiwanischen Reaktoren übers Meer in die russischen Fernosthäfen verschifft und von dort mit dem Zug ins sibirische Krasnojarsk gebracht werden. Dort sollten sie mindestens bis zum Jahre 2020 gelagert werden.
Die taiwanischen Reaktoren stammen aus den USA, die auch den Brennstoff lieferten. Die Notwendigkeit weiterer US-Kontrolle nach dessen Verbrauch wird mit den internationalen Nonprolieferationsverträgen für Elemente begründet, die der Herstellung von Atomwaffen dienen könnten.
Gerade gegen diese Verträge hatte der im Frühjahr gestürzte Adamow verstoßen. Er unterhielt auf der Basis seines Ministeriums ein privates Forschungsinstitut, das mit dem Iran kungelte.
Das bewegte die US-Regierung offenbar zu einer Revision ihrer Pläne. Am 21. März mischte sich das State Department ein und richtete einen Brief an amerikanische und russische Umweltorganisationen, in dem es heißt: „Der Transport verbrauchten atomaren Brennstoffes, der der Kontrolle der USA unterliegt, kann nicht ohne Abschluss eines bilateralen Vertrages über Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Atomkraft abgeschlossen werden. Bisher hatten wir nicht den Wunsch, einen solchen Vertrag abzuschließen.“
Da die USA einen Großteil aller radioaktiven Abfälle der Welt kontrollieren, ist es gut möglich, dass Russland auch bei einer völligen Legalisierung ohne ausländischen Atommüll sitzen bleibt.
Noch müssen das Oberhaus, der Föderationsrat sowie der Präsident das Gesetz bestätigen. Bisher hat Putin auf die Besorgnis der Wähler kaum reagiert. Aber Widerstand der Regionalfürsten könnte er nicht ignorieren. Die geben sich den Plänen gegenüber spröde. Der Vorsitzende des Föderationsrates, Jegor Strojew, kündigte eine genaue Prüfung der Pläne an und sagte: „Die Einfuhr von Nuklearabfällen ist ein ernsthaftes Problem.“
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