piwik no script img

Linke Tasche, rechte Tasche

■ Ab 2002 können Familien Kita-Kosten von der Steuer absetzen. Hälfte des Ersparten geht für Gebühren wieder drauf

Parallel zur Kindergelderhöhung um 30 Mark hat das Bundeskabinett vergangen Woche auch die Absetzbarkeit von Kita-Kosten bis zu einer Höhe von 3000 Mark jährlich beschlossen. Ist dies nun der Befreiungsschlag für Hamburgs Eltern, die für einen Platz bis zu 9.300 Mark jährlich zahlen?

„Ja und nein“, sagt Hans-Joachim Holzmann, Kita-Gebühren-Experte von „Familien Power“. Die Absetzbarkeit, die ab 2002 gelten könnte, „mildere“ die Belas-tung für die Familien. „Aber die Hälfte dessen, was sie sparen, geben sie über die Kita-Gebühren wieder ab.“

Holzmann rechnet dies am Beispiel einer Musterfamilie mit zwei Kindern und 5850 Mark Netto-Einkommen vor. Auf den Monat umgerechnet blieben bei einem Steuersatz von 40 Prozent rund 100 Mark übrig. Ergänzt ums neue Kindergeld hätte diese Familie 160 Mark mehr und klettert somit in der Beitragstabelle zwei Stufen rauf. Statt 906 Mark zahlt diese Familie 990 Mark an monatlicher Kita-Gebühr. Holzmann: „Das, was zur linken Tasche reingeht, nimmt der Staat aus der rechten wieder raus“.

Dazu kommt, dass nur ein kleiner Kreis von dieser Regel überhaupt profitiert. So sind Familien ausgenommen, bei denen nur ein Elternteil erwerbstätig ist. Auch gewinnen Familien, die bis zu 3024 Mark Kita-Gebühr im Jahr zahlen, keinen Pfennig dazu. Es gibt nämlich bereits seit 1999 im allgemeinen Kinderfreibetrag einen Betreuungsanteil in dieser Höhe, von dem geringer verdienende Familien – die in der Regel Kindergeld beziehen – nichts gemerkt haben dürften. Familien können wählen, ob sie Kindergeld oder Freibetrag wollen. „Das Finanzamt prüft beim Lohnsteuerjahresausgleich, was günstiger wäre und gleicht die Differenz aus“, erklärt Kai-Uwe Hübner-Dahrendorf von der Finanzbehörde.

Das Einkommen obiger Musterfamilie liegt übrigens nah am Durchschnitt. Rechnet man anderthalb Gehälter des statistischen Arbeiterbruttolohns und Kindergeld zusammen, so hat eine vierköpfige Familie rund 5000 Mark netto. Arbeiten beide voll, so liegt ihr Einkommen an der Grenze zum Kita-Höchstbeitrag.

„Die steuerliche Absetzbarkeit ist mit Sicherheit kein Befreiungsschlag für die Familien“, sagt der CDU-Politiker Henning Tants. Junge Familien zahlten in der Regel noch nicht so viel Steuern, dass sich dies lohne. Auch Regenbogen-Politikerin Heike Sudmann sieht in dem Berliner Kabinettsbeschluss keine Lösung für die hohen Kita-Gebühren. Statt sich „dumm und dämlich“ zu rechnen, solle man Kita als Bildungseinrichtungen kostenfrei anbieten. Bei der Diskussion, so Sudmann, dürfe man nicht vergessen, dass ein Kinder von Sozialhilfeempfängern zwar auch Kita-Gebühren zahlen, aber wohlmöglich nicht mal von der Kindergelderhöhung profitieren: „Hamburg muss sich dringend im Bundesrat dafür stark machen, dass die 30-Marks-Erhöhung nicht von der Sozialhilfe abgezogen wird.“

Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen