: Pippi Langstrumpf im Baskenland
■ Das Bremer Instituto Cervantes lässt heute und morgen über europäische Kulturpolitik debattieren: „Schließlich sind wir nicht nur ein Hispano-Laden.“
Prinzen können ja so lästig sein. Nur weil der spanische Thronfolger Felipe seine derzeitige Wichtig-Offiziell-Reise in der Madrider Region spontan ausgedehnt hat, muss Susana Zapke Rodíguez auf Alberto Ruiz Gallardón verzichten. Frau Zapke ist Direktorin des Bremer Cervantes-Instituts, Gallardón das Oberhaupt der Madrider Kommune – der also statt in Bremen um den Prinzen scharwenzelt.
Die 35-jährige Bremer Direktorin muss dieser Tage nicht nur Prinzen verkraften. Heute beginnt der von ihr organisierte Kongress über Europäische Kulturpolitik. Ihr Gedanklicher Ansatz: „Wenn man beginnt, den Begriff ,Europäische Kulturpolitik' zu durchleuchten, merkt man, dass er völlig porös ist.“ „Revidierung eines Begriffs“ heißt deswegen der Untertitel der anspruchsvollen Tagung im Rathaus, auf der allerdings eher überarbeitet als aufgehoben werden soll. Denn die Spannung zwischen Partikularis- und Universalismus wird auch die Definitionsversuche in der oberen Rathaushalle überleben.
Zapke Rodríguez sieht die Wurzeln dieses Konflikts – bezogen auf ihr Land – schon in den Disputen der vorletzten Jahrhundertwende angelegt, etwa in den gegensätzlichen Positionen José Ortega y Gassets („Spaniens Rettung heißt Europa“) und Miguel de Unamunos, der lieber eine Hispanisierung des Kontinents gesehen hätte.
Und hundert Jahre später? Seit dem Maastrichter Vertrag (1992) hat die Europäische Union kulturelle Kompetenzen – nach heftigen Auseinandersetzungen. Zapke Rodríguez: „Europa erscheint vielen eher als eine Bedrohung ihrer nationalen Identität denn als Heimat.“ Umso wichtiger sei die verbindende Funktion der Kultur: „Als Kind im Baskenland habe ich selbstverständlich Pippi Langstrumpf gelesen – so was wirkt mehr als von oben vorgegebene Prinzipien.“
Die habilitierte Musikwissenschaftlerin leitet das Bremer Institut (weltweit gibt es 35) seit knapp einem Jahr. Ihr Arbeitsziel beschreibt sie so: „Es kann nicht reichen, wenn wir nur spanische Kultur hierher importieren, sozusagen einen Laden mit Hispano-Produkten aufmachen. Wichtiger ist mir, Dialoge zu organisieren.“
Trotz des Dazwischenfunkens des Kronprinzen hat es Zapke Rodríguez geschafft, Spitzenleute nach Bremen zu holen. Auf zwei Podien (Freitag und Samstag) werden u.a. Eduardo Delgado Clavera, Gründer des „Interarts Observatory“ in Barcelona, und Jean-Michel Courades von der EU-Kommission für Bildung und Kultur sitzen. Südamerikanische Perspektiven vertritt Wolf Grabendorff (Gründungsdirektor des Instituts für Europäisch-Lateinamerikanische Beziehungen), aus Mediensicht sprechen der Spanienkorrespondent der FAZ, Walter Haubrich, Juan Angel Vela del Campo (Kulturkolumnist bei „El País“) und Volker Mauersberger, ehemals RB-Hörfunk-Chefredakteur – zum Beispiel über die Frage, warum Auslandsberichterstattung in vielen deutschen Medien seit der Wiedervereinigung deutlich weniger Platz bekommt. HB
Die öffentliche Debatte steigt heute zwischen 16 und 19 und morgen von 11 bis 14 Uhr. Siehe Veranstaltungskalender auf Seite 22.
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