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Das letzte Röcheln des Interregio

■ Ab Sonntag gilt der neue Fahrplan. Interregios und Küstenstädte müssen bluten. Wieviel Blut fließen wird, steht hier.

Nur noch zwei Tage, dann ist Schluss mit lustig Interregio (IR) nach Cuxhaven fahren. Morgen geht es in Bremen ein letztes Mal um 12.59 Uhr mit dem Zug aus Saarbrücken weiter nach Cuxhaven. Übermorgen ist Fahrplanwechsel, die Interregios sterben einen langsamen qualvollen Tod, und die Küstenstädte werden vom Fernverkehr abgeschnitten. Auf besagter Strecke nach Cuxhaven gab es nämlich auch nach dem letzten Fahrplan nur noch einen IR in beide Richtungen, 1996 immerhin noch drei. Ab Sonntag müssen Cuxhaven-Reisende entweder mit dem Regionalexpress über die Schiene bummeln und in Bremerhaven umsteigen oder den Bus nehmen. Der fährt nur im Sommer und dann auch nur am Wochenende.

Aber nicht nur Cuxhaven ist auf der Loserseite des neuen Kursbuchs zu finden. Auch den anderen Küstenorten wird die direkte Zufuhr mit Frischfleisch aus südlicheren Gefilden verwehrt. Zum Beispiel Bremerhaven. ICE-Verkehr gibt es gar nicht mehr, auch die drei täglichen Interregios aus dem Ruhrgebiet fallen weg. Nur zwei davon werden mit Regionalexpressen ersetzt, Umsteigende in Richtung Ruhrgebiet müssen in Bremen eine Dreiviertelstunde warten.

In Wilhelmshavens schniekem neuen Bahnhof trifft kein einziger IR-Zug mehr ein, aber nicht weinen: alle viere werden durch die Norwestbahn ersetzt – bis Oldenburg. Hart getroffen hat es auch Norddeich. Statt vier täglichen Interregios fahren nur noch zwei, und der Mittagszug braucht eine ganze Stunde länger als vorher. Dafür können die Oldenburger nach wie vor im Zwei-Stunden-Takt mit dem IR nach Hannover fahren und von dort weiter bis nach Dresden.

Futsch ist damit die direkte Interregio-Verbindung von Bremen nach Cottbus über Berlin – die Züge fahren jetzt nach Dresden und Leipzig. Das dadurch erforderliche Umsteigen in Hannover ist aber nichts neues: Nur bahnunerfahrene Autofahrer sind vorher im durchgehenden IR nach Berlin sitzengeblieben, anstatt in einen anderen IR umzusteigen, der eine Stunde weniger brauchte.

Während die für ländliche Regionen gerade so wichtigen Interregios also ordentlich einen auf den Döz gekriegt haben, gibt es auch einige positive Änderungen. So fahren die Regionalexpresse nach Hannover wieder in dem Takt, in dem sie auch vor der Expo gefahren sind. Das bedeutet, dass der ICE-Anschluss nach Berlin wieder klappt und nicht mehr auch für die Bremen-Hannover-Strecke ein teures ICE-Ticket gelöst werden muss.

Der Interregio ist also noch nicht ganz tot, sondern röchelt noch alle zwei Stunden durch Bremen. Michael Frömming, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) sieht für Niedersachsens Küstenregion dennoch schwarz. Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sei die Bahnpolitik zwar verständlich, aber die Bahn sei selbst an mangelnder Auslastung schuld, da sie es versäumt hat, aktiv Werbung für die zuschlagsfreien Züge zu machen. „Jahrelang tauchte der Interregio in DB-Hochglanzprospekten als attraktive Reiseoption gar nicht mehr auf.“ Eiken Bruhn

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