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Er will lieber Schokolade

Ein Kinostar ist Johnny Depp schon lange. Nun reüssiert der Amerikaner auch noch als prominenter Amerika-Kritiker

Man hat es ja schon immer gewusst, insgeheim. Johnny Depp ist einer von uns, Johnny Depp gehört gar nicht nach drüben in dieses kulturlose, rüde und geldgeile Amerika. Die USA, so erzählte er jetzt einer Programmzeitschrift, seien voller „Gier, Gewalt und Zorn“.

Nun will der Schauspieler Konsequenzen ziehen aus der Seelenverwandtschaft und endgültig nach Europa übersiedeln. Fortan solle das zweijährige Töchterchen Lili-Rose Melody nur mehr in Frankreich aufwachsen, wo Papa und Mama, die französische Pop-Sirene Vanessa Paradis, eh schon die meiste Zeit verbringen.

Diese Ankündigung kommt, gelinde gesagt, wenig überraschend. Schon seit seinen Anfängen als Teenie-Star in Serien wie „21 Jump Street“ und Opfer von Freddy Krueger in „Nightmare on Elm Street“ gilt der mittlerweile 37-Jährige als Querkopf. Ob bei der Rollenauswahl, dem Zerlegen von Hotelzimmern und Verprügeln von Paparazzi oder ebenso öffentlichen wie dramatischen Liebschaften mit Kollegin Winona Ryder oder Model Kate Moss, Depp gelang es stets, nicht so stromlinienförmig zu erscheinen wie der Großteil des restlichen Hollywood-Personals.

Bevor er Schauspieler wurde, experimentierte der Schulabbrecher mit Drogen und verdiente seine Brötchen eine Zeit lang als Gitarrist einer Garagenband, die sich durch Nachtclubs in Florida spielte, in die der minderjährige Depp durch die Hintertür geschleust werden musste. Tatsächlich hat er sich dieses Image des ewigen Hipsters nicht nur bewahren können, sondern schaffte es, parallel ausgerechnet im verhassten Hollywood an einer veritablen Karriere zu basteln. Trotzdem: Ob Depp in „Benny and Joon“ einen Behinderten gab, in „Dead Man“ den ausführlichsten Tod der Filmgeschichte hinlegte oder in „Donnie Brasco“ selbst an der Seite von Al Pacino bestand, nie wollte in all den Jahren die Diskussion verstummen, ob Depp denn nun ein guter Schauspieler oder nur ein hübsches Gesicht sei.

Ein Talent hat Depp in seiner Karriere allerdings unzweifelhaft bewiesen: Kaum ein Schauspieler hat je so ein geschicktes Händchen mit der Auswahl seiner Filme gehabt. Die Hauptrolle für „Speed“ überließ er gnädigerweise Keanu Reeves, der daraufhin zum Action-Star aufstieg. „Ich wollte nie ein Blockbuster Boy werden“, sagte Depp und porträtierte lieber weiter sensible Seelchen für Regisseure wie John Waters und Emir Kusturica oder gesellschaftliche Außenseiter wie den legendären B-Picture-Regisseur Ed Wood.

Demnächst kommt er als legendärer Drogendealer George Jung ins Kino. Inzwischen leistet es sich Depp gar, seine Rollen danach auszusuchen, ob sie sich gut mit dem Familienleben vereinbaren lassen. Darunter litt dann mitunter die Qualität: Die eigentlich unerträglich süßliche Schnulze „Chocolat“ reüssierte zuletzt trotzdem an den Kinokassen. Geld sei ihm egal, ließ er immer wieder verlauten, er sei Künstler und hoffe irgendwann „mit einem Bierbauch auf der Veranda zu sitzen und auf einen See zu blicken“.

Noch ist es allerdings nicht so weit. Erst kürzlich wurde er vom Magazin People zum wiederholten Male in die Liste der fünfzig schönsten Menschen weltweit gewählt. Vorerst also bleibt John Christopher Depp III. der schöne Johnny, da nützt auch ein Umzug nach Europa nichts.

THOMAS WINKLER

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