: Bitbilder vom schwächelnden Homecomputer
■ Animiertes, Preisverleihungen und eine Party beenden am Sonnabend das KurzFilmFestival
Im vergangenen Jahr, als die Welt der New Economy noch rund und heil, da war das Bitfilmfestival ein, vielleicht der Höhepunkt des Kurzfilmfestivals. Wir erinnern uns noch gern ans Bitfilmforum, in dem Filmemacher ihre Werkstatt öffneten und uns über die Schulter schauen ließen. Es war fast ein Festival im Festival, und es schickte sich an, groß und größer zu werden. Doch heuer sieht die New Economy ziemlich alt aus, die Bitdollars klotzen nicht mehr, sondern kleckern nur noch; man musste abspecken.
Wie schön, wenn sich Not in Tugend wandeln lässt, und man kokett erklären kann, sich nicht als Fläche superteurer 3-D-Animationsprojektionen zu verstehen, sondern sich dem klammen Nerd verpflichtet zu fühlen, der seine Bit-Bilder am schwächelnden Homecomputer austüftelt. Na, bravo!
Entschlossen eigener Vorliebe folgend, soll die Schönheit der teils oder komplett am Rechner entstandenen Filme sich über Bitfilm 2 entfalten. Websurfern wird Flash geläufig sein, jenes Programm, mit dem sich bewegte Zeichnungen erstellen lassen. Die bisweilen naiv anmutende 2-D-Oberfläche hat ihr ganz spezielles Etwas, wie Dog View très charmant belegt. Was 3-D-Animation im Repertoire hat, präsentiert Daniele Lunghini mit Le foto dello scandalo. Hatte Karl Freund bereits 1925 die Kamera entfesselt, so hat digitale 3-D-Animation sie aus ihrer Schwerkraftbindung befreit. Das mechanische Auge gewinnt derart an Beweglichkeit und Rasanz, dass seine organischen Kollegen den sie tragenden Körper nur mehr als trägen Lästling empfinden können. Immerhin lindert der Blick auf die unendliche Schwierigkeit und Mühsal, realistisch anmutende Oberflächen zu generieren, den Schmerz über die mobile Beschränktheit.
Doch Reduktion kann auch Gewinn sein. Insbesondere, wenn sie der Phantasie die Sporen gibt. Telling Lies besteht nur aus Schrift, synchron zu den gesprochenen Worten, und aus der grandiosen Visualisierung des aufgelegten Telefonhörers. Ein ganz starkes Stück Film, das uns willkommen heißt in der heterosexuellen Matrix am Morgen danach. Denn merke, wenn das Begehren nicht mehr Mono hören mag, schallt die Matrix mit Ärger in Stereo zurück... Hier noch ein Wort zu Bitfilm 1, das MTVIVA überzeugend vorführt, dass die Qualität von Musikvideos sich nicht allein über cuts per minute bemisst. Das musste einfach mal gesagt werden.
Sie möchten mehr wissen? Dann raus aus den Puschen und rein in den Kinosessel. Mit 16 bzw. 17 Filmen haben die Programme für jeden seine digitale Erweckung in petto. Und kein Film ist länger als neun Minuten. Versprochen.
Tim Gallwitz
Sa: Bitfilm 1, 15 Uhr, Bitfilm 2, 17.30 Uhr; Preisverleihung: 19.30 Uhr, Zeise; Abschlussparty: 22.30 Uhr, Festivalclub, Harkortstr. 125
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