: So tun, als wär Mann dumm
Ein neues Männermagazin surft auf einer „Post-Machismo“-Welle und geht dabei katastrophal baden: Die „Maxim“ propagiert außer Sex und Brachial-Humor „einfach nur ‚Ich‘ sein“
von MARCEL MALACHOWSKI
Nicht nur halbgebildet, sondern auch noch stolz darauf zu sein, das ist ja genauso in Mode wie der brachiale Jeder-gegen-jeden-Humor eines Stefan Raab. Und Mode wird hierzulande durch Masse bestimmt. Wenn viele dumm sind, ist dumm eben Mode. Und wenn eine neue Zeitschrift auf den Markt geworfen wird, dann muss sich das Format dem Niveau seiner potenziellen Leser anpassen.
Zwar bleibt immer die Frage, wer zuerst da war – Medium oder Konsument –, aber eigentlich ist sie egal; dass es sie beide gibt, ist das Problem.
Maxim heißt der neueste Problemfall, er verspricht nicht nur „Mehr für Männer“ (Untertitel), er erscheint sogar „Im Namen der Männer“ (Presse-Info). Themen: „Spass, Sport, Sex, Technik, Mode, Reportage, Fakten“. Und mit der nicht gerade bescheidenen Erstauflage von über 500.000 (Juni-Ausgabe) bescheinigt sich der Axel-Springer-Verlag glaubhaft seine eigene Marktkenntnis. In England vor sechs Jahren gestartet, erscheint das Heft mittlerweile in neun Ländern, in den USA mit immerhin 2,5 Millionen Auflage, kurz: „Das größte Männermagazin der Welt“.
Das lässt einiges befürchten, aber es kommt noch schlimmer, denn „Maxim ist wie ein Freund“, verspricht Chefredakteur Peter Lewandowski. Und „was können Sie am besten bei und mit Ihrem besten Freund?“ Antwort: „Sich gehen lassen. Einfach nur ‚Ich‘ sein. Sich einfach gut fühlen.“ Aber wir lesen ja nicht die Bild: „Weil der Mann von heute längst nicht so platt im Kopf ist, wie immer wieder kolportiert wird, präsentieren wir diese Wundertüte mit Witz und zarter Ironie.“ Kolportage ist hier wirklich überflüssig. Auch zarte Ironie buchstabiert man brachial-subtil: „Anastacia – Ihre Brille nimmt die Sängerin nur zum Kuscheln ab. Zum Glück: Ihr Gestell sieht einfach scharf aus.“
Wer in die gut 200 Seiten Maxim inklusive Niels-Ruf-Kolumne hineinschaut, sieht also nicht nur auf ein schönes, weil schlichtes, amerikanisches, kosmopolitisches Layout, sondern wirft leider auch einen Blick in die moderne männliche Seele. Nein, man(n) ist nicht dumm, man tut nur so. Weil Mann weiß, dass man auch intelligenter sein könnte, es aber nicht nötig hat – lässt man es eben ganz. Und weil man diesen ganzen blöden Scheiß – „Der ganz normale Wahnsinn eben, der Woche für Woche mit neuen Varianten aufwartet“ – schon als rülpsender Bengel durchschaut hat, kann der Mann mit „Lebensintelligenz“ (Lewandowski) jetzt schon einmal vorbeugend durchdrehen. Ein moderner Nietzsche möchte der Maxim-Leser sein – und ist doch nur ein Dotcom-Looser oder einer, der’s gar nicht erst versucht hat. Man hält nichts von sich selbst, Gefühle sind was für ewiggestrige „Jammerlappen“, „Softies“, „Weicheier“, die Welt würde man am liebsten ..., die Frauen sowieso – aber weil einem dann doch der Mut fehlt, begnügt man sich erst einmal mit „Abschalten. Den eigenen Alltag nicht mehr so ernst nehmen. Denn jetzt ist Maxim für Sie da. Und immer dabei, wenn Sie es wollen.“ Frau wird sich freuen: Post-Machismo auf der Höhe der Zeit.
Maxim will – ähnlich wie der schreibende Proll-Professor Dietrich Schwanitz – die „Klippen des Mannseins im neuen Jahrtauend umschiffen“ helfen. Und es ist wirklich auf der Höhe der Zeit. Der Playboy war dagegen noch der zaghafte Versuch der Annäherung ans andere Geschlecht, der Hustler ein Höhepunkt der Libertinage, die Männer-Vogue scheiterte elegant und elitär zur niveaulosen GQ, die brachiale alexx ging sang- und klanglos unter, Men’s Health versucht wenigstens noch, dem anderen Geschlecht optisch was zu bieten, blond gibt sich szenig, Porno-schamlos und Skateboard-aufgeschlossen – und FHM (im Übrigen in England in derselben so genannten Laddism-Welle entstanden wie Maxim) hat wenigstens noch was vom eingebildeten Dandy, der um die Genüsse des Lebens weiß. Und Maxim? Maxim ist eigentlich alles scheißegal – denn „Männer neigen einfach genetisch dazu, am Bauch etwas Fett anzusetzen“, und „Tanzstunden sind was für Tucken“.
Und die „guten Manieren“, die das Magazin seinen Lesern antrainieren möchte, die brauchen sie nur, damit keine/r gleich bemerkt, was sie wirklich sind: seelenlose Psycholeichen, die in der Rubrik „Bildung für Halbgebildete“ die Zivilisation mit einer Wagner-Oper verwechseln: „Wagners tragische Dialektik aus Sieg und Untergang. Triebverzicht und Machterhalt versteckt sich nicht im Mythos, sondern benutzt diesen als psychologischen Hebel einer Kapitalismuskritik.“ So denkt sie eben, die „moderne Männergeneration“. Und Maxim ist der dazugehörige Amoklauf im Zeitschriftenformat mit „originären deutschen Inhalten“ (Presse-Info).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen