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Ein Web ist noch kein Geschäft

In der New Economy ist vieles anders, an der Betriebswirtschaftslehre kommt am Ende aber auch sie nicht vorbei. Die Branche traf sich in Kiel zum Krisengipfel

KIEL taz ■ Es gibt Märchen, die gehen böse aus. Zum Beispiel das der Firma Boo.com, die einmal der größte Sportartikelverkäufer im Internet werden wollte. Das bis dato bestfinanzierte Start-up-Unternehmen im E-Business ging gnadenlos baden: Mehr als 100 Millionen Dollar verbrannte die Firma in einem Jahr – für Michael Axhausen, Partner der Beratungsfirma KPMG ein klassisches Beispiel dafür, was in der neuen Wirtschaft schiefgehen kann.

Und Hinweis darauf, warum die New Economy in der Krise steckt. Boo.com scheiterten unter anderem daran, dass die Firma zwar einen prima Internetauftritt hinlegten, darüber aber ganz vergaßen, dass es auch ein physisches Geschäft abzuwickeln galt: Jemand musste die Turnschuhe einpacken, versenden, zurücknehmen und die zurückgekommene Ware anderswo absetzen. „Das Web“, warnte Axhausen, „ist kein Geschäft an sich, sondern ein Kommunikationsmedium.“

Frank Roselieb von der Universität Kiel hatte zum „Krisengipfel“ der New Economy eingeladen. Drei dutzend Risiko- und KrisenmanagerInnen aus der ganzen Republik analysierten, was bei Dot.com und Konsorten schiefgelaufen ist und wie sich Ähnliches verhindern ließe.

Firmen wie der Otto-Versand agierten daher vorsichtig, zumal der Anteil der Ware, die über den Versandhandel verkauft wird, in allen Industrieländern konstant bei rund vier Prozent liege. Trotzdem war keiner der Boo.com-Investoren auf den Gedanken gekommen, den vorgelegten Geschäftsplan anzuzweifeln. Sie gingen davon aus, dass es sich um ein völlig neues Geschäft handele, und verloren alle Vergleichszahlen aus den Blick, mit denen sie die Basisannahmen des Plans hätten bewerten können.

In den Augen der Kapitalgeber scheint es auch unerheblich gewesen zu sein, ob die neuen Gründer den Markt kannten und ob sie Geschäftserfahrung hatten. „Es gab Beispiele: Da ist einer in die USA geflogen, kam mit einer Geschäftsidee zurück und war am nächsten Morgen reich“, erinnerte sich Oliver Oechsle von der Düsseldorfer MBB Consult. Geld war in Hülle und Fülle vorhanden, das Controlling und Rechnungswesen der Dot.coms dagegen von „anno dunnemals“, wie der Nürnberger Risikomanagementberater Werner Gleißner (RMCE RiskCon) sagte. Andreas Pulver von Ad Tempus Consulting, Berlin, konstatierte nüchtern „eine andere Haltung zum Geld der Investoren“, die sich jetzt ändern müsse.

Denn trotz ihrer Fehler wird die New Economy weiterleben. Nach Einschätzung Axhausens von KPMG ist sie bei der Hälfte ihrer Talfahrt angelangt. Er prognostizierte eine Phase der Desillusionierung und Konsolidierung, bei der sich das „wahre“ E-Business herauskristallisieren werde.

„Warten Sie einfach auf den nächsten Hype“, empfahl dagegen ein Gipfel-Teilnehmer kämpferisch. Unabhängig ob der tatsächlich kommt, wartet eine neue Gefahr auf die Dot.coms. Wer mit dem Internet arbeitet, wer sich sein Geld von der Börse holt, wer einen Massenmarkt bedient, der wird sich auf Angriffe aus dem Netz einstellen müssen: Schwer kontrollierbare Gerüchte, die den Börsenkurs abstürzen lassen, Verbraucherdomains und „hate sites“ zu Firmen, auf denen sich enttäuschte KundInnen auskotzen. In den USA sind Adressen wie microsoftsucks.com oder prwatch.org bereits gang und gäbe, oder auch mit Tippfehlern veränderten Firmennamen wie untied.com für die Domain von United Airlines. Wer nicht offensiv und transparent darauf reagiert, so die herrschende Meinung beim Krisengipfel, kann sehr schnell sehr viel Geld verlieren. Hierzulande bieten Verbraucherforen wie ciao.com oder vocatus ein Plateau. GERNOT KNÖDLER

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