: Wenig Geld, dafür viel Druck
■ Asta beklagt stärkere Restriktionen. Physik verlangt Vordiplom im 6. Semester
Die Welt ist für Hamburgs 60.000 Studierende eigentlich in Ordnung. Diesen Eindruck konnte man jüngst bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Studentenwerks erlangen. Die lang ersehnte Bafög-Reform wird zwar den Anteil der Bafög-Empfänger auf maximal 16 Prozent erhöhen, aber irgendwie kommen die übrigen 84 Prozent mit elterlicher Unterstützung und Jobben schon klar.
Wirklich? 600 Mark bekommt der Durchschnittsstudent von seinen Eltern; will er in Hamburg leben, braucht er mindestens das Doppelte. „Die meisten von uns müssen jobben, aber gleichzeitig werden immer mehr Restriktionen gegen länger Studierende eingeführt“, kritisiert Fabian Klabunde, hochschulpolitischer Sprecher des Asta der Uni-Hamburg. Diese Restriktionen würden nicht nur „von oben“, sondern auch „von unten“ auf Fachbereichsebene eingeführt.
So geplant am Fachbereich Physik. Zurzeit wartet auf den Schreibtischen der Wissenschaftsbehörde eine neue Prüfungsordnung auf die Genehmigung, die klare Fristen und eine Zwangsberatung schon im Grundstudium einführt. „Wer nach dem 5. Semester das Vordiplom nicht hat, muss an einer Studienberatung teilnehmen, bei der ein Zeitplan erarbeitet wird“, erläutert Fachbereichsplaner Thomas Behrens. Wenn man diesen nicht schafft, gilt die Diplom-Vorprüfung als „endgültig nicht bestanden“. Behrens: „Das kann in der Folge Exmatrikulation bedeuten.“ Es gebe aber immer noch die Möglichkeit, einen Antrag an den Prüfungsausschuss zu stellen, die Fristen aufzuheben. Ursprünglich gab es sogar einen noch strikteren Entwurf, der Exmatrikulation ausdrücklich vorsah. Der ist auf Drängen der Studierenden im Fachbereichsrat wieder zurückgenommen worden.
Auch bisher schon gab es in der Prüfungsordnung die Aufforderung, das Vordiplom im 5. Semes-ter abzulegen. Dies war aber an keinerlei Konsequenzen gebunden. Behrens: „Das konnten sie auch nach 20 Jahren noch tun.“
Nicht nur die Physik, auch andere Fachbereiche wie Politikwissenschaften überarbeiten derzeit ihre Prüfungsordnungen, denken über Kreditpunktsysteme und Zwischenabschlüsse wie den angelsächsischen Bachelor nach. „Wenn es irgendwo eine Reform gibt, dann geht es immer in Richtung Verschulung und Verschärfung“, kritisiert Klabunde. Die Hochschulreformer gingen dabei von dem „Idealtypus“ des Studenten aus, der sich über seine Finanzierung keine Gedanken machen müsse.
Uni-Vize-Präsident Holger Weidner begrüßt hingegen die „Grundintention“ dieser Reformen. „Es geht nicht um Restriktion, sondern um Betreuung von Studierenden.“ Insbesondere bei der Pflichtberatung ginge es darum „mit den Menschen zu sprechen und ihnen zu zeigen: du musst gu-cken, ob du es hinkriegst“. Auch Uni-Präsident Jürgen Lüthje sagt: „Je früher ein Student die Rückmeldung über sein Scheitern erhält, desto besser.“
Der Zwang zu jobben, so die Meinung im Uni-Apparat, zähle eben zu den triftigen Gründen, die einen Prüfungsausschuss davon überzeugen, die Fristen aufzuheben. Für den Asta-Politiker Klabunde ist das zu vage: „Solange nette Leute in diesen Ausschüssen sitzen, ist das kein Problem. Aber du bist auf Goodwill von Prüfern angewiesen. Das ist die Rückehr zur Ordinarien-Universität.“
Kaija Kutter
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