: Abschied ohne Pfeffer
Neue Koalitionen im Innenausschuss: Schon vor dem gemeinsamen Misstrauensvotum werfen sich SPD, PDS und Grüne die Bälle zu. Tagesordnungspunkte werden gekippt, die Einführung von Pfefferspray bei der Polizei bleibt auf der Strecke
von PLUTONIA PLARRE
Das Misstrauensvotum, mit dem am Samstag Eberhard Diepgen und seine CDU-Senatoren gestürzt werden sollen, wirft seinen Schatten voraus. Auch im Innenausschuss. Mit bärbeißigem Gesichtsausdruck sahen die Abgeordneten der CDU und Nochinnensenator Eckart Werthebach gestern zu, wie sich die Parlamentarier der Bündnisgrünen, der PDS und der SPD gegenseitig die Bälle zuspielten.
Die Genugtuung über das Ende der großen Koalition sprang dem innenpolitischen Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, aus allen Knopflöchern. „Noch sitzen wir hier als Opposition, die sich freut, dass einiges anders werden wird“, frohlockte er. Als erste gemeinsame Tat kippten die neuen Bündnispartner drei Besprechungspunkte von der Tagesordnung. Sie betrafen aufenthaltsrechtliche Fragen von Flüchtlingen. Dann verweigerten SPD, Grüne und PDS ihre Zustimmung zur Änderung des Gesetzes „über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin“. Das Gesetz soll der Polizei ermöglichen, bei ihren Einsätzen Pfefferspray als Tränengasersatz zu verwenden.
„Wir befürworten die Einführung des Pfeffersprays als Ökologisierung der Nahkampfstoffe“, sagte Wieland. Bevor man zustimme, müsse aber sichergestellt werden, dass die Polizei das bislang verwendete CN- und CS-Gas auch wirklich aus dem Verkehr ziehe.
Marion Seelig von der PDS fand den Gesetzentwurf so „schlampig“, dass er noch einmal überarbeitet werden muss. Als die innenpolitische Sprecherin der SPD, Heidemarie Fischer, das Wort ergriff, machte sich auf den Bänken der CDU Aufruhr breit: Man werde die Formulierung bis zur nächsten Ausschusssitzung noch einmal durchgehen, kündigte Fischer an. „In vierzehn Tagen brennt nichts an.“
„Gehirnwäsche!“, zischte es bei den CDU-Abgeordneten. Schließlich hatte die SPD dem Entwurf im Rechtsausschuss noch zugestimmt. Aber das sind vergangene Zeiten. Von einem „Skandal“ sprach gar der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Gewalt. Auch Innensenator Werthebach legte sich ein letztes Mal ins Zeug. „Ich ahne Schlimmes, wenn ein so harmloses Gesetz auf dem Altar von SPD und Grünen geopfert werden soll“, sagte er mit Tremolo in der Stimme. Eindruck machte er damit nicht. Im Gegenteil: „Sie können noch so sehr mit dem Kopf schütteln. Ab nächste Woche ist es vorbei, geschätzter Herr Werthebach“, erwiderte Wieland cool.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen