Versuchskaninchen

Zeitung: London setzte Behinderte bei Atomtests in Australien ein. Forscher: Augenzeuge glaubwürdig

LONDON/BERLIN afp/taz ■ Die britische Regierung hat nach einem Pressebericht in den 50er-Jahren geistig und körperlich Behinderte als Testpersonen bei Atomversuchen in Australien eingesetzt. Die Menschen seien nach ihrem Einsatz in der australischen Wüste nie wieder aufgetaucht, hieß es gestern in der Tageszeitung Independent. Vermutlich seien sie nach mehreren Atomtests im Wüstenort Maralinga gestorben.

Laut der liberalen Zeitung gestand ein Pilot bereits Ende der 80er-Jahre, selbst Behinderte zu dem Testort geflogen zu haben. Der damals an der Universität von Perth angestellte Mann habe dies dem Leiter der Abteilung für Behindertenforschung, Robert Jackson, berichtet. Der hält die Aussagen des Piloten nach eigenen Angaben für glaubwürdig. Er versuche derzeit, den Mann wiederzufinden.

Auch mehrere australische Soldaten vom Stützpunkt Maralinga bestätigten, dass damals zwei Gruppen von Schwerbehinderten kurz vor Beginn eines Atomversuchs ins Testgebiet gebracht worden seien. Von 1952 bis 1957 wurden in Australien zwölf Atomversuche unternommen, davon neun in Maralinga.

Eine australische Kommission untersuchte bereits 1985 gleich lautende Vorwürfe, wies sie aber zurück. Der Independent zitiert den Vorsitzenden des Atomveteranenverbandes Terry Toon, dass als Einziger ein Mechaniker das Gelände betreten habe. Der berichtete von „Geräuschen, die dem Brabbeln geistig Behinderter ähnelten“, so Toon.

Im Mai hatte die britische Regierung eingeräumt, dass zwölf Soldaten aus Neuseeland, Australien und Großbritannien zu Testzwecken radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden seien. Dabei sei jedoch nur deren Schutzkleidung getestet worden. „Menschen sind nie als Versuchskaninchen benutzt worden“, sagte ein Regierungssprecher in London. Dies hatte die Regierung bereits 1997 vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof erklärt. HAN