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Der Ausstieg erhält Gesetzeskraft

Es sei notwendig, die Atomkraftwerke abzuschalten, weil sie „Leben und Gesundheit der Bevölkerung“ sowie „andere wichtige Gemeinschaftsgüter“ gefährden. Der Textentwurf für die Novelle des Atomgesetzes ist fast fertig. Bundestag muss zustimmen

Unfälle „können zur Strahlenexposition der Bevölkerung führen“

aus Berlin HANNES KOCH

Milde Worte kennzeichnen den Entwurf des Gesetzes zur „geordneten Beendigung der Kernenergienutzung“ aus dem Hause von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne). In der Präambel des Textes, der der taz vorliegt, heißt es zurückhaltend, dass „sich die Möglichkeit von Unfällen mit großen Freisetzungen nicht völlig ausschließen lässt“.

Als Rechtfertigung für den geplanten Ausstieg aus der Atomenergie verweist der Entwurf auf die kritische Haltung der „Bundesregierung und die sie tragende Mehrheit im Deutschen Bundestag“. Diese „halten die geordnete und einheitliche Beendigung der Kernenergienutzung zur Elektrizitätserzeugung für erforderlich, um den Schutz von Leben und Gesundheit und anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern dauerhaft zu gewährleisten“.

Mit dem Gesetz, das der Bundestag, nicht aber der Bundesrat beschließen muss, erhält die Vereinbarung über den Ausstieg aus der Atomenergie zwischen Bundesregierung und den vier Atomkonzernen ihre endgültige juristische Form. Darin wird unter anderem festgelegt, dass die Kraftwerke im Durchschnitt 32 Jahre seit Inbetriebnahme laufen dürfen und die letzten jenseits des Jahres 2020 abgeschaltet werden.

Auf den Konsens hatten sich die Unternehmen und die Bundesregierung vor fast genau einem Jahr bereits grundsätzlich geeinigt. Dann aber verzögerten sich die Verhandlungen immer wieder, sodass die Vereinbarung erst am vergangenen Montag Abend unterschrieben wurde.

Zu den Streitpunkten gehörten zum einen die Begründung für den Ausstieg. Die Regierung muss gerichtsfest beschreiben, warum das Auslaufen der Verträge für Atomkraftwerke notwendig ist. Zum anderen wollten sich die Konzerne nicht allzu sehr an den Pranger stellen lassen. Nicht schon in der Präambel, sondern erst weiter hinten in der „Begründung, Allgemeiner Teil“ finden sich deutlichere Worte: „Das Gesetz verfolgt mit der zukünftigen Vermeidung bzw. Minderung der mit der Kernenergie verbundenen Risiken überragend wichtige Belange des Gemeinwohls.“ Die Erfahrung mit Unfällen habe gezeigt, dass „die freigesetzten Stoffe zu einer großräumigen Kontamination und einer Strahlenexposition der Bevölkerung führen können“.

Nach Informationen der taz spielten auch zwei weitere wesentliche Knackpunkte in den Verhandlungen eine Rolle, worauf die lange Dauer zurückzuführen ist. Die Betreiberunternehmen haben ursprünglich verlangt, die Vereinbarung mit der Bundesregierung erst zu unterschreiben, wenn der Bundestag zugestimmt habe. Das Umweltministerium legte dagegen Wert darauf, das Prozedere herumzudrehen, um beim Bundestag nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man kaufe die Katze im Sack. Hier konnte sich Umweltminister Jürgen Trittin durchsetzen.

Auch an einem zweiten Punkt haben die Konzerne nachgegeben. Die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) wollten zunächst nicht ihre Unterschrift unter die Vereinbarung setzen. Zur Begründung argumentierte HEW-Vorstand Manfred Timm, sein Unternehmen sei nicht an den Verhandlungen beteiligt worden. Tatsächlich saßen nur die vier Firmen Viag, Veba, RWE und EnBW mit am Tisch. Bei der zeremoniellen Unterzeichnung am Montag war nun auch Timm zugegen, wobei er freilich in die Mikrofone sprach, dass der „Ausstieg nicht unumkehrbar“ sei.

Für die Bundesregierung war die Einbindung der HEW von besonderer Bedeutung. Man wollte sich nicht der Gefahr aussetzen, dass ein Atombetreiber sich nicht an die Vereinbarung gebunden fühlen und dagegen klagen könne. In den vergangenen Tagen haben zwischen Justizministerium und Umweltministerium letzte Detailabstimmungen des Textes stattgefunden. Nach dem Ende der Ressortabstimmung wird der Gesetzentwurf in einigen Wochen an die Bundesländer, Umwelt- und Wirtschaftsverbände geschickt. Danach sind das Bundeskabinett und schließlich der Bundestag an der Reihe.

Währenddessen begann gestern der Ausstieg. RWE als Betreiber des stillgelegten AKW Mülheim-Kärlich beantragte bei der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) den Abriss der Anlage.

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