: Rückkehr der Millimeterdiplomatie
Ein halber Schritt vor, ein halber Schritt zurück: Die USA vermitteln wieder zwischen Israel und den Palästinensern. Als Erstes vermehren sich auf beiden Seiten die Forderungen an den Gegner. Wann etwas dabei herauskommt und was, weiß niemand
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Die Nahost-Diplomatie ist in Bewegung geraten. Nach der grundsätzlichen Zustimmung Israels und der Palästinenser zu dem „Sicherheits-Arbeitsplan“ von CIA-Chef George Tenet wurden gestern die Gespräche zur Umsetzung der Vorschläge aufgenommen. Die Sicherheitschefs beider Seiten trafen mit Tenet in Tel Aviv zusammen. Parallel zu der Initiative des CIA-Chefs dauert die Mission des US-Sonderbeauftragten William Burns an, der die Umsetzung des Mitchell-Berichts beobachten soll. Am Wochenende wird UN-Generalsekretär Kofi Annan mit beiden Seiten beraten.
Überschattet wurden die Verhandlungen von zwei Gewaltakten, bei denen zwei israelische Zivilisten Verletzungen davontrugen. Am Vorabend wurde ein griechischer Mönch im Westjordanland erschossen. Die neue Hoffnung auf ein baldiges Ende des seit Ende September andauernden Konflikts bekam zusätzlich einen Dämpfer, als der palästinensische Informationsminister Jassir Abed-Rabbo gestern früh vor Journalisten in Ramallah erklärte, dass „noch nichts unterschrieben“ worden sei. Die Palästinenser wehren sich gegen die von Tenet vorgeschlagene Errichtung einer Pufferzone zwischen Israel und dem Westjordanland sowie gegen die neuerliche Verhaftung von gesuchten Terroristen. Abed-Rabbo sprach von einem „vorbereitenden Papier“ für spätere Verhandlungen. Die Palästinenser betrachten nicht den Tenet-Plan, sondern den Mitchell-Bericht als ausschlaggebend. Während der vier Seiten umfassende Vorschlag George Tenets mit dem Titel: „Umsetzung eines palästinensisch-israelischen Sicherheits-Arbeitsplans“ ausschließlich Sicherheitsangelegenheiten behandelt, umfasst der Mitchell-Bericht auch Punkte der politischen Verhandlungen. So wird darin die sofortige Einstellung der Bautätigkeit in jüdischen Siedlungen gefordert.
Israel hatte jedoch in letzter Zeit Gesten des guten Willens an den Tag gelegt. Im Vorfeld des Treffens wurde eine Aufhebung der seit knapp zwei Wochen andauernden Blockade palästinensischer Städte in Aussicht gestellt; die israelische Armee bereitet zudem den Rückzug zu den Stützpunkten vor, an denen die Soldaten bis zum Beginn der Unruhen im September stationiert waren. Innerhalb einer Woche soll ein Zeitplan für den Abzug vorliegen. Die Israelis werden zudem palästinensische Häftlinge entlassen, die in den vergangenen Monaten verhaftet wurden und keine Verbindung zu Terroranschlägen haben. Ferner sollen Rechtsmaßnahmen gegen jüdische Siedler eingeleitet werden, die mit Gewalt gegen Palästinenser vorgegangen sind.
Umgekehrt hat Israel die Palästinenser aufgefordert, illegale Waffen zu konfiszieren und keine Mörsergranten mehr zu produzieren. Ferner sollen sie sämtliches Nachrichtenmaterial über geplante Terrorattentate an die israelischen Sicherheitsdienste weiterleiten. Dazu gehört auch die Vernehmung von verdächtigen Extremisten.
Zu den Maßnahmen, die die Palästinenser von Israel fordern, gehört der Einsatz von so genannten „nichttödlichen Waffen“ etwa zur Auflösung militanter Demonstrationen. Am vergangenen Wochenende waren drei palästinensische Frauen ums Leben gekommen, als ein israelischer Panzer eine mit Nägeln bestückte Granate abschoss. Die Granate hatte ihr Ziel um 1,5 Kilometer verfehlt.
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